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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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obwohl es aufder Mauerkrone dunkel war, denn der Schein der beiden Feuer drang nicht ganz bis zu den Zinnen herauf. Circendil blieb stehen und zog sein blankes Schwert. Die Vahits erreichten schweratmend die zweite Treppe und hielten an, um auf ihn zu warten. »So lauft doch!«, hörten sie ihn rufen. »Nicht zaudern. Weiter!«
    Noch ehe sie seinem Befehl Folge leisten konnten, fegte ein Rauschen dicht über den Ringwall hinweg. Schwerer Flügelschlag hing irgendwo in der Luft   – humpf, humpf!   –, ein Schwall stechend riechender Luft umwehte ihre Köpfe. Doch sie sahen nichts am Himmel außer allmählich aufreißenden Wolken, hinter denen sie matte Sterne ahnten. Circendil fuhr herum. Den Behelfsbogen wie einen Knüppel in der einen, das Schwert in der anderen Faust starrte er in die Nacht hinauf. Das schwere Schwirren brach ab.
    Lichter schoben sich jetzt die Treppe hoch. Die ersten Gidrogs quollen auf den Wall hinaus, schwenkten wütend ihre Fackeln. Sie sahen den Davenamedhir und rannten los, Schulter an Schulter, eine heranwälzende Mauer aus Schuppenhaut. Irgendwo in der Nähe sauste ein geflügelter Schatten durch die Nacht   – und er kehrte zurück.
    Ein Kreisen und heftiges Schlagen   – Flügelgeflatter. Sie sahen Circendils Schwert im Licht der sich rasch nähernden Fackeln blitzen, im nächsten Moment gellte ein wütender Schrei. Klirrend fiel das Schwert auf den Caeraban. Der Mensch sprang hoch in die Luft, aber er stürzte nicht auf den Wall zurück. Etwas hatte ihn ergriffen, oder er hing daran fest, mehr sahen sie nicht. Circendil bewegte die Beine, als renne er. Eine grollende Stimme rief etwas aus dem wirbelnden Dunkel und zerrte an unsichtbaren Zügeln. Drei schnelle, harte Schläge der schweren Schwingen, humpf, humpfhumpf!, dann wurde Circendil mit einem gellenden Criargschrei über die Mauer getragen.
    Er verschwand über den Zinnen und aus ihrem Blick.
    Entsetzt starrten sie einander an   – einen Augenblick oder zwei nur, aber es kam ihnen wie Stunden vor. »Sein Schwert!«, rief Mellowund rannte die fünf oder sechs Klafter zurück, dem wogenden Wald aus herantrampelnden Gidrogbeinen entgegen.
    Finn riss Gatabaid auf den Arm. Entsetzen über Circendils Schicksal schüttelte ihn. Die Angst ließ sein Herz hämmern. Es setzte einen Schlag aus, als er Mellow davonstürmen sah. Dessen ganz und gar unvernünftiges Handeln fuhr ihm wie ein Faustschlag in den Magen. Mellow war verrückt geworden. Oder Schlimmeres. Auf jeden Fall war er verloren. Finn hörte ein Wimmern, und erst, als es an seine Ohren drang, merkte er, dass er selbst es war, der wimmerte. Er sah Mellow sich bücken oder fallen und keuchte auf.
    Dann gab er sich einen Ruck und sprang die ersten Stufen hinunter   – und geriet fast sofort in Bedrängnis. Die Treppe war wie eine Schwester der vorigen: schmal und steil und zweigeteilt, mit einem Absatz etwa in der Mitte. Hinunter waren die viel zu hohen Menschenstufen noch hinderlicher als vordem hinauf. Es gab an den Aufgängen des Ringwalls keinerlei Geländer oder Balustraden; die wandabgekehrte Seite der Stufen war nackt und wie abgeschnitten: eine künstliche Klippe aus Caeraban. Gatabaids zusätzliches Gewicht zog ihn jäh nach vorn, sein eigener Schwung war zu stark bemessen. Einen Atemzug lang drohte er zu stürzen, doch schaffte er es gerade eben noch, sich zu drehen und mit der Schulter, an der Wand entlangschabend, seinen Schwung zu bremsen. Langsamer, als er es wollte, viel zu langsam, wie er dachte, begann Finn, Fuß für Fuß hinabzugehen; abwärts sah alles weitaus steiler aus als vorhin, als sie nach oben gehastet waren. Hinter ihm, oben auf dem Wall, schwoll Stimmenlärm an, der abrupt versiegte. Ein einzelner zorniger Gidrog bellte etwas, dem zu Finns Überraschung Mellows dünne Vahitstimme antwortete.
    »Wieso ist er noch am Leben?«, fragte sich Finn, verblüfft und voller Angst und Freude zugleich. Der Gedanke an seinen Freund ließ ihn zögern. Durfte, musste, sollte er ihm helfen oder nicht? Nein, denn helfen konnte er ihm nicht. Oben herrschte jetzt eine Ruhe, die trügerisch war und von flackernden Flammen erhelltwurde, die über die Zinnen bleckten. Finn sah nicht mehr als das und wandte sich ab.
    Gatabaid verbarg ihr tränennasses Gesicht an seinem Kragen und klammerte sich an ihm fest. Sie schafften weitere fünfzehn, zwanzig Stufen. Dann erhob sich oben ein unbeschreiblicher Lärm. Verschiedene Gidrogs schrien durcheinander. Es gab Gepolter

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