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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sagte er lauter und ganz verständlich: »Weber heiße ich.«
    Darauf ward es wieder still. Die beiden Alten stießen sich an. Sie wollten sich eine Mittheilung zuflüstern; da aber erklang es kurz und zornig:»Aus Amerika – – nach Langenstadt.«
    Die Pflegerin schüttelte verwundert den Kopf. Der Köhler aber raunte seiner Frau erschrocken zu:
    »Hast Du es gehört?«
    »Ja.«
    »Weber heißt er!«
    »Nach Langenstadt will er!«
    »Aus Amerika kommt er!«
    »Sollte Gevatter Weber gemeint sein?«
    »Du, höre, der hat ja Verwandte drüben.«
    »Und der Mann, den der Lieutenant im Walde getroffen hat, ist ein Amerikaner gewesen.«
    »Hat aber dem Hauptmanne so sehr ähnlich gesehen.«
    »Das kommt mir immer verdächtiger vor!«
    »Horch!«
    Der Kranke wimmerte leise fort, doch immer noch, ohne sich zu bewegen. Er hielt auch die Augen geschlossen. Sodann murmelte er kurze, unverständliche Worte vor sich hin, bis man endlich deutlicher hörte: »Mein Ranzen – – viel Geld – – – Holzschnitzer – – – ha, stürzt mich hinab – – –«
    Das Letztere hatte er mit lauter Stimme gerufen. Dann ließ das Wimmern nach und er schlief wieder ein. Es war nichts mehr zu hören. Der Köhler wartete eine ganze Weile. Als das Schweigen andauerte, sagte er zu der Alten:»Jetzt ist es fast gewiß, daß er den Gevatter meint!«
    »Denkst Du?«
    »Ja. Weber – Holzschnitzer – Langenstadt. Es kann ja gar kein Anderer gemeint sein.«
    »Was wollte er mit dem Ranzen?«
    »Er wird einen gehabt haben und viel Geld drin.«
    »Sagte er nichts vom Hinabstürzen?«
    »Ja, freilich. Du, ich habe einen großen Verdacht!«
    »Ich fast auch.«
    »Was denkst Du denn?«
    »Dieser Hirsch ist doch der Mörder gewesen.«
    »Das ist’s, was auch mir nicht aus dem Sinne will.«
    »Er hat den Fremden getroffen und vom Felsen gestürzt, um ihm Alles abzunehmen.«
    »Das wäre schauderhaft.«
    »Aber es ist doch sehr leicht möglich. Nicht?«
    »Ja.«
    Sie überlegten schweigend. Erst nach einer längeren Pause stieß der Köhler seine Frau an und flüsterte:
    »Ich behalte es nicht auf meinem Gewissen.«
    »Was willst Du denn thun?«
    »Ich sage es.«
    »Wem denn?«
    »Dem Staatsanwalt.«
    »Daß der Hirsch dagewesen ist?«
    »Ja.«
    »Was fällt Dir ein! Willst Du uns unglücklich machen!«
    »Hm! Ja! Und den Vetter dazu! Der wird nun zu Hause in Obersberg sein. Soll ich ihn in Verlegenheit bringen, nun, da er endlich in Sicherheit ist?«
    »Du darfst nichts sagen, kein Wort!«
    »Aber mein Gewissen! Wenn der Hirsch eine solche Schlechtigkeit begangen hat!«
    »Wir können es doch nicht mehr ändern!«
    »Doch, doch! Wer weiß, was er außerdem noch vor hat! Wenn er wirklich das gethan hat, was wir denken, so ist er auf jeden Fall nach Langenstadt.«
    »Zu Webers?«
    »Ja. Er giebt sich dort für den Amerikaner aus.«
    »Während der Unschuldige hier bei uns liegt!«
    »Wenn man nur wüßte, was man am Klügsten zu thun hat! Denke Dir, daß Hirsch jetzt fort ist. Wenn er in Langenstadt ertappt würde. Das Geld, das viele Geld!«
    »Zehntausend Gulden!«
    »Oder fünfzehntausend!«
    Es trat wieder ein längeres Schweigen ein. Dann flüsterte der Mann seinem Weibe zu:
    »Jetzt weiß ich, was ich thue.«
    »Was denn?«
    »Ich gehe nach Langenstadt.«
    »Hm!«
    »Meinst Du nicht?«
    »Ich weiß nicht, was das Richtige ist; aber mir ist ganz so, als ob ich mich für Webers ängstigen müsse.«
    »Mir auch. Es kann uns ja nichts schaden, wenn ich dem Staatsanwalt meine Gedanken sagen könnte.«
    »Das geht nicht.«
    »Freilich nicht. Also, soll ich?«
    »Thue, was Du denkst!«
    »So gehe ich.«
    »Aber wann denn?«
    »Gleich jetzt.«
    »Was? Mitten in der Nacht? Durch den Wald?«
    »Was ist da weiter? Du weißt, daß ich mich nicht fürchte. Die Wege sind mir ganz genau bekannt. Je später ich von hier gehe, desto später komme ich hin.«
    »Wirst Du denn fort dürfen?«
    »Wer will es mir wehren?«
    »Der Staatsanwalt.«
    »Den frage ich gar nicht.«
    »Draußen stehen die Militärwachen.«
    »Ich bin doch nicht etwa ein Gefangener. Sie haben aufzupassen, daß der Kranke nicht entkommt. Ich thue, als ob ich nach dem Meiler muß. Sie können mich nicht anhalten.«
    »Was sage ich denn, wenn ich nach Dir gefragt werde?«
    »Das weiß ich nicht. Du mußt Dich nach den Umständen richten. Ich kann doch nicht vorher wissen, was geschehen wird.«
    Sie besprachen die Angelegenheit noch eine kurze Zeit; dann war der Alte fest entschlossen, nach

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