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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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aber Anton nahm ihn beim Arme und sagte mit höflich impertinentem Lächeln:
    »Halt, Vetter! Vorher noch ein Wort in Liebe!«
    »Nun, was denn?«
    »Bei Ihnen liegt ein Gefangener?«
    »Ja.«
    »Und Sie reißen aus?«
    »Wer sagt das?«
    »Ich!«
    Jetzt wurde der Alte wirklich zornig. Er antwortete:
    »Hören Sie, Sie Vetter und Schwindelmeier, machen Sie sich schleunigst aus dem Staube, sonst können Sie sich nur getrost Ihre Knochen und Knöchelchen nummeriren! Ich bin Kohlenbrenner und verstehe, mit Dem da umzugehen.«
    Bei diesen Worten schwang er den eichenen Spazierknüttel, den er in der Hand hatte. Anton aber ließ sich keineswegs irre machen. Er griff in die Tasche, zog seine Medaille hervor, zeigte sie ihm und fragte: »Kennen Sie das Dings da?«
    »Nein.«
    »Nun, so lesen Sie einmal die Schrift!«
    »Wozu denn?«
    »Damit Sie sehen, wer und was ich bin.«
    »Wer und was Sie sind, das ist mir Schnuppe!«
    »Sie aber sind mir nicht Schnuppe. Ich bin Criminalpolizist. Diese Medaille enthält meine Legitimation.«
    »Was Sie sagen!«
    »Lesen Sie also!«
    Jetzt nahm der Köhler die Münze und buchstabirte sich mit vieler Mühe die Worte zusammen.
    »Sapperment!« meinte er dann. »Das habe ich noch nicht gewußt. So eine Medaille habe ich noch nicht gesehen. Diese Bedeutung habe ich noch nicht gekannt.«
    »O, ich kann mich auch noch anders legitimiren. Zum Beispiel hier, so. Sehen Sie diesen sechsschüssigen Revolver? Ihn darf ich gebrauchen, wenn ich auf Widerstand stoße!«
    Da lachte der Alte lustig auf und sagte:
    »Na, verlieren Sie nur die Courage nicht. Ich thue Ihnen nichts. Ich bin froh, wenn man mich in Ruhe läßt.«
    »Da werden Sie meiner freilich nicht froh werden; denn ich habe keineswegs die Absicht, Sie in Ruhe zu lassen.«
    »Guter Freund, wir werden schon einig werden. Was wollen Sie denn eigentlich bei mir?«
    »Ich will mir Ihren Gefangenen ein Wenig betrachten. Ich hoffe, daß er noch zu finden ist.«
    »O, der läuft nicht davon. Der kann kein Glied bewegen.«
    »Aber Sie laufen davon!«
    »In ganz guter Absicht.«
    »Darf ich diese Absicht kennen lernen?«
    Der Alte betrachtete ihn noch immer mit mißtrauischem Blicke. Er sagte:
    »Jetzt sagen Sie mir einmal aufrichtig: Sind Sie wirklich ein Criminalpolizist?«
    »Ja. Sie haben ja die Medaille gesehen!«
    »Das verstehe ich nicht. Wie ein Spitzbube sehen Sie mir allerdings nicht aus. Und ich will Ihnen sehr offen sagen, daß vielleicht viel davon abhängt, daß wir uns verstehen.«
    »Ich habe da hinten in dem Orte, wo ich übernachtete, gehört, daß der alte Kohlenbrenner Hendschel ein braver Mann sei. Wenn Sie wirklich Hendschel sind, so sagen Sie mir, warum Sie in so auffälliger Weise Ihre Wohnung verlassen?«
    »Also Sie sind wirklich Polizist?«
    »Ja doch! Ich stehe speciell im Dienste des Fürsten des Elendes. Von dem werden Sie wohl gehört haben.«
    »Na und ob! Wenn das so ist, so kann ich aufrichtig gegen Sie sein. Ich bin unterwegs, um den Hauptmann zu fangen.«
    »Den haben Sie ja schon!«
    »Das glaube ich aber nicht.«
    »Nicht? Warum nicht?«
    »Ich habe einige Gründe, zu vermuthen, daß unser Gefangener ein ganz braver, unschuldiger Mensch ist. Der Hauptmann steckt jetzt wohl in Langenstadt.«
    »Dort? Was Sie sagen! Der Fürst war gestern dort!«
    »Ah, der hätte es wissen sollen! Ich vermuthe, daß sich der Hauptmann bei einem gewissen Holzschnitzer Weber einnisten will, der dort wohnt.«
    »Holzschnitzer Weber? Ah, der hat eine Tochter in der Hauptstadt, wenn nämlich kein Anderer gemeint ist.«
    »Kennen Sie etwa diese Tochter?«
    »Heißt sie Magda?«
    »Sapperment, ja. Sie ist mein Patenkind, die Älteste von Webers.
    Ich habe nämlich früher in der Gegend von Langenstadt gewohnt. Weber ist mein Spezial.«
    »Wenn das so ist, so will ich Ihnen Vertrauen schenken. Aber ich verlange ganz dasselbe von Ihnen.«
    »Das versteht sich! Vielleicht ist es grad gut, daß ich Ihnen begegnet bin. Ich will Ihnen erzählen.«
    Er theilte jetzt Anton seinen Verdacht und die Gründe desselben mit, ohne aber doch zu verrathen, daß der Hauptmann bei ihm sich aufgehalten hatte. Der Polizist hörte ihm sehr aufmerksam zu, überlegte eine Weile und sagte dann: »Vater Hendschel, was Sie da sagen, das klingt nicht ganz ohne. Es ist möglich, daß Sie recht haben. Der Gefangene kann uns nicht entkommen; der Andere aber, den Sie für den Hauptmann halten, ist leicht entwischt. Es ist auf alle Fälle besser, wir eilen nach

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