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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu Fuß gegangen bin. Habt Ihr meinen Brief erhalten?«
    »Gestern.«
    »Und die Kisten?«
    »Kisten noch nicht. Aber komm, komm herein! Du triffst es gut. Wir haben Verlobung.«
    »Sapperment! Wer verlobt sich denn?«
    »Die Magda. Komm nur, komm!«
    Er folgte ihr und fragte, um nur etwas zu sagen:
    »Mit wem wird sie denn verlobt?«
    »Mit einem Doctor, denke Dir nur! Er heißt Zander und ist aus der Hauptstadt. Hier herein!«
    Sie öffnete die Stubenthür und schob ihn hinein.
    Er war, als er den Namen Zander hörte, heftig erschrocken. War das vielleicht derselbe Arzt, den er kannte? Dann befand er sich ja in größter Gefahr! Aber er hatte sich unterwegs eine blaue Brille gekauft und bei einem Barbier sein Äußeres möglichst verändert. Vielleicht war die Gefahr nicht so sehr groß. Die Frau schob ihn so schnell und so resolut vor sich her, daß er den Gedanken, schnell zu entweichen, gar nicht fassen konnte. Er fand nur Zeit, sich einigermaßen zu beherrschen, dann stand er auch schon in der Stube.
    Am Tisch saß Weber mit seinen Kindern, Doctor Zander bei ihnen. Sie aßen. Die Frau hatte wohl im Begriff gestanden, etwas zum Essen Nötiges herbeizuholen.
    »Da kommt noch ein Gast!« sagte sie in freudigem Tone.
    »Guten Abend!« grüßte der Baron.
    »Guten Abend!« antwortete Weber, indem er von seinem Platze aufstand. »Wen bringst Du uns denn da?«
    »Einen reisenden Handwerksburschen,« lachte die Frau.
    »Als Gast? Na, heute ist uns Jeder willkommen.«
    »Besonders so ein Handwerksbursche! Rathe einmal, wo er herkommt, Alter?«
    »Na, allwissend bin ich nicht!«
    »Weit, weit her! Gar über das Wasser herüber.«
    »Sapperment! So ist es doch nicht etwa gar –«
    »Na freilich ist er’s!«
    »Der Neffe?«
    »Ja, natürlich.«
    »Das ist eine Ueberraschung! So rasch hätten wir Dich doch nicht erwartet. Willkommen, willkommen!«
    Er umarmte den vermeintlichen Neffen, welcher die Begrüßung möglichst herzlich erwiderte und auch dem Arzte die Hand in möglichster Unbefangenheit reichte.
    »Dieser Herr ist wohl der Bräutigam?« fragte er.
    »Freilich! Woher weißt Du das?«
    »Von der Tante; sie sagte es bereits draußen. Freut mich sehr, freut mich sehr! Ich hoffe, daß wir gute Verwandtschaft halten werden, Herr Doctor.«
    Der Genannte war noch immer ziemlich bestürzt. Der Baron begrüßte nun auch die Kinder, fragte nach ihren Namen und den sonstigen Umständen und wurde dann, als er abgelegt hatte, an den Tisch genöthigt.
    Während des Essens ließ man ihn ziemlich in Ruhe. Als es vorüber war, verließ Doctor Zander unter einem plausiblen Vorwande die Stube und das Haus, erkundigte sich auf der Straße nach dem Bürgermeister und suchte denselben auf, um ihm die überraschende Meldung zu machen.
    Der Beamte schüttelte den Kopf und sagte:
    »Den Hauptmann wollen Sie gesehen haben? Bei dem alten Weber? Das muß ein Irrthum sein. Was will er denn dort?«
    »Er giebt sich für den Neffen aus Amerika aus.«
    »Ach so! Er ist wohl heute gekommen?«
    »Vor kaum einer halben Stunde.«
    »Na, da will ich Ihnen sagen, daß Sie sich ganz gewaltig irren. Der Hauptmann ist gefangen worden, aber nicht hier bei uns. Es ist der sämmtlichen Landespolizei sofort telegraphirt worden. Hier bei uns kann er also nicht sein.«
    »Sie irren sich jedenfalls.«
    »Nicht möglich. Uebrigens weiß ich, daß der Amerikaner kommen will. In so einem kleinen Städtchen erfährt man Alles. Der Baron von Helfenstein wird nicht so dumm sein, sich hierher zu setzen.«
    »Aber es ist doch ein Irrthum Ihrerseits möglich.«
    »Schwerlich.«
    »Aber doch! Wollen Sie sich den Mann nicht wenigstens einmal ansehen, ihn nach seinen Papieren fragen?«
    »Das kann mir gar nicht einfallen. Er soll steinreich sein; er will sich hier niederlassen; die Stadt wird also großen Nutzen haben. Da wäre es die größte Dummheit von mir, wenn ich ihn sogleich mit der Frage nach seinen Legitimationen beleidigen wollte. Er würde sich hüten, bei uns zu bleiben.«
    »Aber ich mache Sie verantwortlich!«
    »Sehr wohl! Ich habe meine Depesche. Und – da fällt mir ein, daß sich der Fürst von Befour so viele Mühe mit dem Hauptmanne gegeben hat. Dieser Herr befindet sich heute hier auf dem Schlosse. Wollen Sie etwa –«
    »Wie? Der Fürst ist hier?«
    »Ja. Es muß bei der Beisetzungsfeierlichkeit noch irgend etwas Besonderes los sein. Kennen Sie ihn?«
    »Sehr gut sogar.«
    »So suchen Sie ihn auf und sprechen Sie mit ihm. Wenn er an Ihre Angaben

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