Der verlorne Sohn
genannt?«
»Ich habe den Namen vergessen.«
»Etwa Weber?«
»Ja, ach ja, Weber in – – in – – –«
»In Langenstadt etwa?«
»Ja, so war es, in Langenstadt.«
»Alle tausend Teufel! Da kommt mir eine Ahnung! Aber wie hat man diesen Mann hier eigentlich gefunden? Wie ist man auf ihn aufmerksam geworden?«
»Durch einen Amerikaner, welcher der militärischen Patrouille begegnet ist,« antwortete der Anwalt.
»Dieser Amerikaner hat auf ihn aufmerksam gemacht?«
»Ja. Er hat erzählt, daß er ihm begegnet sei und sogleich Verdacht habe hegen müssen.«
»Wie war der Amerikaner gekleidet? Gab es an ihm irgend etwas Auffälliges?«
»Er war von dem commandirenden Offizier einer Ähnlichkeit wegen angehalten worden, hatte aber in Folge seiner ausgezeichneten Legitimationen seinen Weg dann fortsetzen dürfen.«
»Herr Staatsanwalt, man hat den Hauptmann entkommen lassen, dafür aber einen Unschuldigen festgenommen, an welchem der Erstere ein Verbrechen begangen hat.«
»Das wäre ja entsetzlich!«
»Ist es auch wirklich. Diesen armen Teufel hier brauchen Sie nicht so sorgfältig bewachen zu lassen. Er entgeht Ihnen nicht. Wir müssen sein Leben zu retten suchen, weil er ein wichtiger Zeuge gegen den Hauptmann sein wird. Daß uns aber der Letztere nicht entkommen möge, dazu will ich wenigstens den Versuch machen. Ich werde Ihnen nach hier Nachricht senden.«
Er eilte hinaus und bestieg sein Pferd. Der Anwalt kam ihm schnell aus dem Hause nach und sagte:
»Darf ich nicht Näheres erfahren, Durchlaucht?«
»Die Zeit ist zu kurz. Ich ahne, wo der Hauptmann sich befindet, und will telegraphisch Befehl zur Arretur geben. Darum muß ich schleunigst nach dem nächsten Orte, an welchem sich ein Telegraphenamt befindet.«
Er jagte davon. Im nächsten Städtchen gab es Post und Telegraph. Von da aus ließ er folgende Depesche abgehen:
»Dem Bürgermeister von Langenstadt.
Sofort Amerikaner bei Holzschnitzer Weber arretiren. Ja nicht entkommen lassen. Umgehend Rückantwort an
Fürst von Befour.«
Er ging in den Gasthof, um diese Antwort zu erwarten. Sie kam nach Verlauf von einer Viertelstunde und lautete zu seinem größten Erstaunen:
»Hat ihn schon! Mit nächstem Zuge ab nach der Residenz.
Anton.«
Das war folgendermaßen zugegangen:
Der alte, brave Köhler hatte, ohne sich im Wege zu irren, den Gebirgswald hinter sich gelegt. Es wurde Tag, als er den nächsten Eisenbahnort vor sich sah. Da kam ihm ein junger Mann entgegen, welcher ihn forschend betrachtete und dann, ihn grüßend, fragte: »Sie wohnen im Walde? Nicht?«
»Ja. Sie sehen das wohl an meinem Habitus?«
»Ja. Sie sind da zwischen den Bergen gut bekannt.«
»Ich kenne jeden Weg und Steg.«
»So ist es Ihnen vielleicht möglich, mich zurecht zu weisen. Ich suche nämlich einen Köhler, weicher Hendschel heißt.«
»So, so! Was wollen Sie bei ihm?«
»Kennen Sie ihn?«
»Ja.«
»Also, wie komme ich zu ihm?«
»Zunächst, was wollen Sie bei ihm?«
»Sie sind sehr neugierig! Aber ich kann es Ihnen ja doch sagen. Ich bin nämlich verwandt mit ihm.«
»Das ist wohl eine sehr nahe Verwandtschaft?«
»Ja.«
»Aber so nahe, daß er Sie gar nicht kennt!«
»Wie kommen Sie zu dieser Ansicht? Er wird doch seine Verwandten kennen, der gute Vetter Hendschel!«
»Er scheint Sie aber doch nicht zu kennen; denn Sie zum Beispiel hat er noch gar nicht gesehen.«
»Meinen Sie?«
»Ja, meine ich, Sie Lügenpeter, Sie!«
»Donnerwetter!« lachte Anton. »Da scheine ich ja ganz gewaltig angeflogen zu sein!«
»Ja, das sind Sie allerdings, Sie Schwindelmeier!«
»Sie sind wohl gar der Vetter Hendschel selbst?«
»Ja, aber nicht Ihr Vetter! Verstanden?«
»Sehr gut, sehr gut! Na, warum kommen Sie auch auf die Idee, mich auszufragen!«
»Und Sie mich!«
»Ich habe mich nur nach Ihrer Wohnung erkundigt. Sie aber wollten von mir noch viel mehr wissen! Also Sie sind Hendschel selbst! Hat man Sie denn fortgelassen?«
»Warum nicht?«
»Ich denke, bei Ihnen giebt es Belagerungszustand!«
»Aber ich werde nicht selbst belagert!«
»Das ist nicht so sehr sicher, wie Sie es glaublich machen. Sie werden wohl so gut sein, mich zurück zu begleiten.«
»Zurück? Wohin denn?«
»Genau bis dahin, wo Sie wohnen.«
»Fällt mir nicht ein!«
»Es wird Ihnen nicht viel Anderes übrig bleiben!«
»Was mir übrigbleibt oder nicht, das ist wohl meine Sache, aber nicht die Ihrige. Guten Morgen und guten Weg.«
Er wollte weitergehen,
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