Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Oberlandesgerichtsrath.«
    »Gewöhnlich bin ich das, jetzt aber nicht. Jetzt bin ich so eine männliche Fee. Thut einmal drei Wünsche! Ich will sehen, ob ich sie Euch erfüllen kann.«
    Sie sahen ihn verblüfft an. Er aber fuhr fort:
    »Ich spreche im Ernste. Nicht wahr, Durchlaucht?«
    »Ja,« antwortete der Fürst. »Thun Sie einmal drei Wünsche, Hendschel, Sie oder Ihre Frau! Wenn Sie nicht gar zu viel verlangen, gehen sie vielleicht in Erfüllung.«
    »Sie foppen uns!« meinte die Alte.
    »Nein, wir meinen es gut und ehrlich.«
    »Ach was! Das, was man sich bei einer Fee wünschen würde, kann man sich doch hier nicht wünschen!«
    »Warum denn nicht?«
    »Weil Sie eben keine Fee sind.«
    »So sagen Sie wenigstens, was Sie thun würden, wenn eine Fee Ihnen drei Wünsche gestattete, und Sie wüßten, daß diese in Erfüllung gehen würden.«
    Die Alte sah sich sehr ernsthaft im Kreise um, blickte dann nachdenklich ihrem Manne in’s Gesicht und sagte: »Du, Alter, die Herren machen wirklich Ernst!«
    »Meinst Du?«
    »Ja, es steckt etwas dahinter. Wollen wir wünschen?«
    »Na, ja.«
    »Was denn?«
    »Sag Du es!«
    »Nein, Du!«
    »Du könntest nachher zanken, wenn es Dir nicht paßt.«
    »Na, Du hast doch Deinen Verstand, und wenn Du Dir einbildest, es wäre in Wirklichkeit eine Fee da, so wirst Du Dir wohl keine Dummheiten wünschen.«
    »Das ist wahr.«
    »Also, sage Du, was Du Dir wünschest!«
    »Wenn es denn einmal sein soll, und wenn die Herrschaften es ernst nehmen, so will ich denn gerade so thun, als ob die Fee da wäre. Also erstens wünsche ich für mich und für meine gute Alte die ewige Seligkeit.«
    »Bravo!« sagte der Fürst. »Wer diesen Wunsch allen anderen Wünschen voransetzt, der wird die Seligkeit auch ganz gewiß erlangen. Er ist also erfüllt. Weiter!«
    »Sodann wünsche ich, daß wir Beide immer gesund bleiben mögen, bis wir sterben!«
    »Auch dieser Wunsch geht voraussichtlich in Erfüllung. Sie besitzen Beide eine eiserne Natur und sind an ein mäßiges, ordentliches Leben gewöhnt. Weiter!«
    »Na, was noch! Das ewige Leben und die Gesundheit; das ist die Hauptsache. Das Dritte wäre noch, daß wir so viel Geld hätten, daß wir bis an unser Ende nicht Noth zu leiden brauchten. Bist Du es zufrieden, Alte?«
    »Ja, gern. Aber der dritte Wunsch geht nicht so leicht in Erfüllung wie die beiden ersten.«
    »Er ist erfüllt,« sagte der Rath.
    »Erfüllt? Wieso denn?«
    »Wieviel Geld brauchten Sie denn wöchentlich?«
    »Na, wenn wir wöchentlich drei Gulden verdienen könnten bis an unser Ende, dann wären wir froh.«
    »Ja,« meinte er, »dann fielen wohl auch wöchentlich für fünf Kreuzer Tabak ab. Herrgott, wäre das ein Leben!«
    »Verdienen Sie denn nicht mehr?«
    »Du lieber Gott! Wir haben heute, als wir von daheim fortgingen, vierzehn Gulden eingesteckt! Das sind die Ersparnisse einer ganzen Reihe von Jahren.«
    »Na, dann sollen Sie es von jetzt an besser haben! Warten Sie einen Augenblick.«
    Er ging hinaus und kehrte bald zurück, mit einem großen, versiegelten Couvert in der Hand.
    »Hier, Herr Hendschel,« sagte er. »Was steht darauf?«
    Der Alte las:
    »Dem Kohlenbrenner Hendschel.«
    »Machen Sie es auf!«
    Hendschel blickte rundum, kratzte sich hinter dem Ohre und meinte dann verlegen:
    »Meine Herren, das ist wohl nur ein Jux?«
    »O nein!«
    »Etwa so wie mit unserem alten Käse!«
    »Nein, es ist Ernst!«
    »Oder wie mit der unterirdischen Hasenscharte!«
    Da griff sie resolut zu, nahm ihm das Couvert aus der Hand, öffnete es und sagte dabei:
    »Mach keinen Unsinn! Das ist ein Brief. Dein Name steht darauf. Da muß etwas für Dich drin sein.«
    »Na ja, aber was denn?«
    »Dieses Papierpacket.«
    »Mache es vollends auf!«
    Die Augen der Anwesenden ruhten mit Spannung auf den beiden Alten. Sie faltete den Umschlagbogen aus einander, warf einen Blick auf den Inhalt und rief: »Kassenbillets!«
    »Herrgott, ja!« stimmte er bei.
    »Richtige Kassenbilletts, Alter!«
    »Wie viele denn?«
    »Eins, zwei – vier, fünf – zehn – – fünfzehn!«
    »Zeig her, zeig her!«
    Er nahm ihr eins aus der Hand, betrachtete es genau und rief fast überlaut vor Freude:
    »Frau, weißt Du, was da drauf steht?«
    »Na, was denn?«
    »Eine Tausend!«
    »Du bist nicht gescheidt!«
    »Ja, eine Tausend. Schau her!«
    Sie prüfte die Banknote und zählte:
    »Eine Eins mit drei Nullen. Eine Null ist Zehn, zwei Nullen sind Hundert, drei Nullen sind Tausend! Herrgott ja, es sind

Weitere Kostenlose Bücher