Der verlorne Sohn
Tausendguldenscheine!«
»Und wie viel, Alte?«
»Fünfzehn.«
»Merkst Du etwas?«
»Was denn?«
»Du merkst nichts, wirklich nicht? Na, zehntausend Gulden todt und fünfzehntausend Gulden lebendig!«
Da schlug sie die Hände zusammen und rief:
»Für den Hauptmann?«
»Freilich, freilich!« jubelte er.
»Du heiliges Weihnachten! Ich muß mich setzen, gleich hierher! Mir schlägt der Schreck in die Glieder!«
Sie setzte sich gleich auf der Stelle, wo sie stand, auf die Diele nieder. Er aber warf die Cassenscheine auf den Tisch, kniete neben sie hin, faßte sie beim Kopfe und fragte voller Angst: »Alte, meine liebe Alte, wird es Dir schlecht?«
»Nein, gut, aber so schwach«, antwortete sie, den Kopf an seine Achsel legend.
»Werde mir nur nicht etwa krank, sonst pfeife ich auf das ganze Geld! Du bist mir lieber als die Scheine!«
»Alter, Alter! Ist das wahr?«
»Natürlich, natürlich! Nimm Dich zusammen! Wird es Dir noch nicht besser?«
Es war eine wirklich rührende Scene. Den Anwesenden wollten die Thränen in die Augen treten. Fanny von Hellenbach goß Wein in ein Glas, kniete zu der Alten nieder und sagte: »Trinken Sie einen Schluck. Das wird Sie stärken!«
»Sie Gute! Ja, ich will trinken.«
Sie nippte und nippte, bis das Glas halb leer war. Dann sagte sie seufzend:
»Das thut gut, das stärkt. Es wird mir besser.«
Da nahm ihr der Alte, welcher noch neben ihr kniete, das Glas aus der Hand und meinte:
»Da will ich auch trinken. Es ist mir ganz schwummrig.«
Er trank es vollends leer. Die Anwesenden mußten unwillkürlich lachen. Es sah ja so possirlich aus und klang auch tragikomisch. Er aber sagte ernsthaft: »Na, wegen des Geldes wird mir nicht schwach, sondern wegen meiner Alten. Ich habe gehört, daß auch die Freude den Menschen umbringen kann. Was würde mir das Geld nützen, wenn ich meine Frau dafür hingeben müßte. Das wäre kein Spaß. Komm, stehe auf!«
Er zog sie empor und führte sie zu einem Stuhl. Dort setzte sie sich nieder und sagte:
»Alter, wir sind doch recht sehr dumm!«
»Wieso denn?«
»Lassen wir uns so in’s Bockshorn jagen!«
»Na, doch wohl nicht!«
»Wie kann denn dieses Geld unser sein!«
»Ich habe ja die Polizei nach Langenstadt geführt!«
»Aber gefangen hast Du den Hauptmann nicht!«
»Lassen Sie diese Bedenken ruhen«, meinte der Rath. »Ich habe höheren Orts den Befehl erhalten, Ihnen die Prämie auszuzahlen, weil Sie es ermöglicht haben, daß der Hauptmann gefangen wurde. Er hat jedenfalls beabsichtigt, nur bis zur Ankunft gewisser Postsachen in Langenstadt zu bleiben; dann wäre er mit dem Vermögen des Amerikaners verschwunden und wir hätten ihn nie in unsere Hand bekommen. Das Geld gehört nur allein Ihnen.«
»Aber Herr Anton –«
»Lassen Sie das«, sagte der Fürst. »Was er gethan hat, das wird ihm auch ohnedies belohnt.«
»Also ist das Geld unser, wirklich unser?«
»Ja. Es ist Ihr Eigenthum.«
»Alte, meine liebe Alte.«
Sie umarmten sich und weinten, bitterlich zwar, aber vor Freude. Dann, als sie sich gefaßt hatten, legte der Rath ihnen die Quittung vor, welche der Köhler unterschreiben mußte. Dann wurde ihnen von sämmtlichen Anwesenden herzlich gratulirt.
»Jetzt können Sie sich Waschbecken und Kaffeekanne kaufen«, sagte Fanny von Hellenbach.
»Und ich«, meinte der Alte, »ich kaufe mir sofort, wenn ich jetzt auf die Gasse komme, eine Cigarre für drei Kreuzer. Da will ich qualmen.«
»Das können Sie schon jetzt thun«, meinte der Rath. »Hier nehmen Sie!«
Er reichte ihm sein Etui hin und Hendschel brannte sich die Cigarre an. Fanny von Hellenbach lud die Alten ein, sie und ihre Eltern zu besuchen. Auch die Anderen waren herzlich gegen sie, und als dann das Paar entlassen war und die Straße erreichte, blieb der Alte stehen, faßte seine Frau beim Arme und sagte:»Du, das hätte die Cantorin sehen sollen!«
»Und die Dorfrichterin.«
»Waren das noble Leute, Herrgottsakra!«
»Und gute Leute!«
»Ja. Diesen Tag werde ich im Leben nicht vergessen! Fünfzehntausend Gulden und eine Cigarre im Munde, von einem adeligen Herrn, welcher Oberlandesgerichtsrath ist! Man kann es kaum ausdenken.«
»Was wird der Vetter sagen?«
»Wollen machen, daß wir hinkommen!«
»Ja. Du, wie wäre es, wenn wir führen?«
»Meinst Du?«
»Na, wir sind reich!«
»Und es ist so weit.«
»Gut, wir fahren. Wenn wir wieder in unserem Walde sind, werden wir von selbst laufen müssen.«
Sie nahmen sich also eine
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