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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gehört.«
    »Sapperment!«
    »Und hat nicht Eiligeres zu thun gehabt, als Dir den Weg ebnen. Mensch, Du bist zu beneiden!«
    »Ja. Und ich wiederhole es, daß ich der größte Esel bin, den es nur geben kann. Also Werner soll Cassirer werden! Mensch, Anton, ich muß heute mit ihr reden!«
    »Ja, nein eilt’s plötzlich!«
    »Geh! Du mußt mir den Gefallen thun!«
    »Welchen denn?«
    »Wir sind zu Wachtmeisters geladen, dem Vetter Kohlenbrenner wegen. Emilie muß auch mit kommen.«
    »Hm! Der Gedanke ist nicht unrecht. Da hättest Du Deine und ich Meine! Aber, höre, sind wir nicht zwei ganz und gar eigenthümliche und unbegreifliche Kerls? Verlieben uns in die beiden Freundinnen und getrauen uns nicht, es ihnen zu sagen. Die reinen Ritter Toggenburg’s! Ich glaube, die Zwei ahnen es nicht einmal!«
    »Möglich. Die Meinige soll es aber heute erfahren. Willst Du mir den Gefallen thun?«
    »Na, kann ich es Dir etwa abschlagen? Jetzt brennt es nun bei Dir oben hinaus. Da giebt es kein Halten!«
    »Wann gehst Du?«
    »Wenn Du befiehlst.«
    »Also gleich jetzt!«
    »Richtig! Gut!« lachte Anton.
    Und wirklich, er machte sich sofort zum Ausgehen fertig und begab sich nach der Wasserstraße zu dem früheren Amtswachtmeister Landrock. Als er dort ankam, war Anna, die Tochter desselben, allein zu Hause.
    Anton verkehrte hier schon längere Zeit. Er hatte an dem stillen, sittsamen und häuslichen Mädchen ein herzliches Wohlgefallen gefunden, welches sich nach und nach zur innigen Liebe steigerte. Freilich war sie nicht mehr ganz jung, er aber ja auch nicht. Und hübsch war sie doch, ja, er sagte sich zuweilen, daß sie wohl gar eine Schönheit genannt werden könne.
    Das Sonderbarste war, daß er mit ihr noch kein Wort über seine Wünsche gesprochen hatte. Er, der gewandte und erfahrene Geheimpolizist, der mit den höchsten Persönlichkeiten umzugehen verstand, fühlte diesem stillen Mädchen gegenüber eine Scheu, die kaum begreiflich war.
    Erst seit heute Morgen hatte er sich diesen Vorwurf selbst gemacht, seit er mit Adolf gesprochen hatte.
    Emilie Werner, die schöne Tochter des abgesetzten Theaterdieners, war nämlich die Freundin von der Tochter des einstigen Amtswachtmeisters. Sie kam sehr häufig zu ihr, und da Anton auch seinen Collegen Adolf mitbrachte, so lernte dieser Letztere Emilie kennen und auch lieben. Mit ihm war es ebenso wie mit dem Anderen. Auch er hatte noch kein Wort mit der Geliebten gesprochen. Jetzt nun sollte das so ganz plötzlich anders werden. Warum nicht auch bei Anton?
    Dieser fühlte sich aber doch einigermaßen beklemmt, als er Anna allein traf. Ueber ihr hübsches Gesicht zog eine leise Röthe, wie allemal, wenn sie ihn erblickte. Sie gab ihm die Hand mit jenem zutraulichen Lächeln, welches man nur für gute Bekannte hat, und nöthigte ihn, sich niederzusetzen.
    Es wurden einige gewöhnliche Redensarten gewechselt und dann hing sein Auge an ihren weißen Händen, welche mit einer Häkelarbeit beschäftigt waren.
    Welch ein Händchen! Sapperment! Wie müßte von ihr der Kaffee schmecken und das Butterbrod und die Wurst, der Schinken und die»Spiegeleier?« sagte er ganz laut.
    Spiegeleier waren nämlich eine Delicatesse für ihn. Er erschrak und erröthete wie ein kleines Kind, als er seine eigene Stimme so laut hörte. Sie blickte rasch von ihrer Arbeit auf und sah ihn fragend an. Als er aber schwieg meinte sie: »Haben Sie Hunger?«
    »Nicht eigentlich, aber Appetit.«
    »Auf Spiegeleier?«
    »Eigentlich auf etwas ganz Anderes.«
    »Bitte, sagen Sie es mir! Dann kann ich es Ihnen heute Abend mit vorsetzen.«
    »Ah, das wäre aber herrlich!«
    »Es geschieht ja gern, wenn es überhaupt möglich ist.«
    »Möglich? O, sehr leicht.«
    Es war nichts anderes als ein Kuß, den er sich wünschte.
    »Also bitte, was ist es?« fragte sie.
    »Hm!« meinte er verlegen. »Das ist eigentlich gar nicht so leicht gesagt.«
    »Ist es etwas so sehr Complicirtes?«
    »Sehr einfach im Gegentheile.«
    »Aber eine Delicatesse.«
    »Die größte, die es giebt.«
    »O weh! Dann ist es theuer!«
    »Gar nicht. Es kostet keinen Kreuzer!«
    »Da geben Sie mir freilich schwer zu rathen auf.«
    »Und doch wäre es mir äußerst lieb, wenn Sie es erriethen. Es zu sagen, wird mir zu schwer.«
    »Wollen sehen. Welche Farbe hat es?«
    »Kirschroth.«
    »Wo wächst es?«
    »Na, wie denn! Es wächst gar nicht.«
    »Es ist also keine Pflanze?«
    »Nein.«
    »Kein Getränk?«
    »Nein.«
    »Also wohl Fleisch?«
    »Fleisch

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