Der verlorne Sohn
ist.«
»Wieso?«
»Er soll in die Casse gegriffen haben.«
»Das thut ein Jeder, wer eine hat! Also nähere Dich dieser Dame, und wenn Du mit ihr einig bist, so gieb ihrem Vater diese paar Zeilen, sie werden Deine Absichten auf das Beste unterstützen.«
Er gab ihm das zusammengefaltete Decret hin, welches er von dem Director erhalten hatte. Adolf machte ein Gesicht, als ob der Himmel am Einstürzen sei, und wollte das Papier öffnen.
»Laß nur jetzt zu!« meinte sein Herr. »Lies es später, und sage der Dame, daß ich Euch meinen Segen gebe! So, jetzt kannst Du gehen, lieber Adolf.«
Der Diener ging. Als er die Thüre hinter sich zumachte, brummte er vor sich hin:
»Lieber Adolf! Auch noch! Na!«
Da erblickte er Anton, seinen Kameraden, welcher lesend in der Ecke saß. Dieser sah auf, betrachtete ihn forschend, lachte kurz vor sich hin und sagte:»Mensch, was für ein Gesicht machst Du da?«
»Ja, ich möchte es auch sehen!«
»Gucke nur in den Spiegel! So eine nageldumme Physiognomie habe ich in meinem ganzen Leben nicht gesehen.«
»Das glaube ich. Es ist mir auch noch nie so dumm zu Muthe gewesen wie jetzt!«
»Was hat es denn gegeben?«
»Etwas ganz Verfluchtes! Denke Dir, heirathen soll ich!«
»Sapperment!«
»Und er hat Eine für mich ausgewählt!«
»Mache Dich nicht lächerlich!«
»Ja, das ist es eben, was mich ganz dumm macht! Er hat allen Ernstes das Verlangen an mich gestellt, daß ich seine Candidatin heirathen soll.«
»Wenn das wahr ist, so hat er seine ganz besonderen, und zwar guten Absichten dabei.«
»Danke für diese Absichten!«
»Wer ist es denn?«
»Das Kameel des Residenztheatercassirers.«
»Verflucht! Du bist nicht bei Troste!«
»Ja, gewiß, die!«
»Mensch, das ist nicht wahr!«
»Gehe hinein und frage ihn!«
Da endlich erhob Anton sich vom Stuhle, faßte den Andern beim Arme und sagte:
»Adolf, Du bist wirklich dumm, sehr dumm!«
»Meinst Du? Schön von Dir! Hab Dank!«
»Bitte, bitte! Wenn Der da drin Dir wirklich diese Proposition gestellt hat, so steckt irgend etwas dahinter, was ich nur jetzt noch nicht errathen kann.«
»Natürlich steckt etwas dahinter! Und zu errathen brauche ich es gar nicht; ich weiß es bereits.«
»Na, was denn?«
»Eine Heirath natürlich!«
»Unsinn! Wenn ich dabei gewesen wäre, so wollte ich wohl rathen, was er will. Es fällt ihm nicht im Traume ein, Dir eine solche Frau aufzubinden. Wie wollte er Dich denn dazu zwingen?«
»Durch Entziehung der Pension!«
»Da kennst Du ihn schlecht. Was hast Du denn eigentlich da zwischen den Fingern kleben?«
»Ach so! An diesen Wisch habe ich in meinem Grimme gar nicht mehr gedacht. Den soll ich ihrem Vater geben.«
»Dem Theatercassirer?«
»Ja.«
»Zeige her!«
Er zog ihm das Document aus der Hand, entfaltete es und las. Als er fertig war, konnte er sich nicht halten; er fiel in ein Gelächter, welches immer wieder von Neuem begann.
»Mensch!« sagte Adolf zornig. »Bist Du verrückt! Das muß ja der Fürst hören! Er ist nebenan!«
»O, er wird dieses Mal nicht bös sein, denn er hört ja daraus, daß es gewirkt hat.«
»Was hat gewirkt, he?«
»Dieses Rezept. Dachte ich es doch, daß etwas dahinter steckt! Und auch Du hast recht, denn es steckt wirklich eine Heirath dahinter. Aber, ihm zuzutrauen, daß er Dir diese Heirath zumuthet!«
»Na, was muthet er mir denn zu?«
»Höre, Adolf, ich habe Dich freilich für sehr dumm gehalten, das ist wahr, aber jetzt sehe ich ein, daß Du noch zehnmal dümmer bist als Du selber. Da, lies!«
Jetzt nahm der Andere das Decret. Während das Lesens wurde sein Gesicht länger und immer länger. Als er damit fertig war, blickte er Anton ganz consternirt an.
»Na, was hat’s denn noch?« fragte dieser.
»Ist das möglich?«
»Da steht es ja schwarz auf weiß!«
»Was für ein ungeheurer Esel – –«
»Bist Du?«
»Ja, ich!«
Und jetzt brach er selbst in ein schallendes Gelächter aus. Dann, als dieses geendet hatte, fragte er:
»Er muß es also gewußt haben?«
»Natürlich!«
»Woher aber?«
»Hm! Wer weiß!«
»Kein Mensch weiß es, nicht einmal sie selbst. Du bist der Erste und Einzige, dem ich davon erzählt habe, und zwar auch erst heute früh.«
»Ah, da erklärt es sich ja!«
»Wieso?«
»Wir sprachen von den beiden Freundinnen ziemlich laut; wir dachten nicht, daß er bereits munter sei. Kaum aber warst Du fort, so kam er herein, und da bemerkte ich, daß die Thür nur angelehnt gewesen sei. Er hat Alles
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