Der verlorne Sohn
führte.
»Seht,« sagte der Alte, »hier sind sie herabgekugelt, der Hund und der Schuster. Wir werden sie gleich erreicht haben. Um Gottes willen, horcht!«
Sie blieben stehen. Ganz in der Nähe hatte der Hund drohend oder warnend aufgeknurrt, dann erscholl ein schriller, unbeschreiblicher Schrei, nach welchem sich das Knirschen zermalmter Knochen hören ließ.
»Alle Wetter!« rief Wunderlich. »Er hat einen Versuch gemacht, noch jetzt, im letzten Augenblicke, zu entkommen; aber Pluto hat ihn festgebissen. Schnell hin!«
Jetzt war ein lautes Wimmern ihr Führer. Zwischen zwei Sträuchern lag Seidelmann auf dem Rücken; der Hund stand funkelnden Blickes über ihm und hatte ihn bei dem einen Arme gepackt.
»Zurück, Pluto!«
Das Thier verließ sofort den Schuster und kam wedelnden Schweifes zu seinem Herrn. Dieser bückte sich zu Seidelmann nieder, um den Arm zu untersuchen.
»Einfältiger Mensch,« sagte er. »Habe ich Dich nicht gewarnt? Du hast dennoch entfliehen wollen, und da hat er Dich beim Arme festgehalten, leise erst, wie es seine Art ist; da Du ihm aber hast den Arm entwinden wollen, so hat er fester zugebissen. Nun ist der Arm zermalmt, fast zu Brei. Wenn Du kein Krebs oder Regenwurm bist, so wächst er Dir nicht wieder!«
Seidelmann antwortete nur mit einem Wimmern. Er erhob sich und leistete nicht den geringsten Widerstand, als er am gesunden Arm mit dem Apotheker zusammen gebunden wurde.
Nun brach man nach dem Försterhause auf. Dort brannte kein Licht, als aber der Alte in seiner bekannten Weise pfiff, trat Frau Barbara unter die Thür.
»Bist Du es, Vater?« fragte sie.
»Ja, Bärbchen. Sind die Burschen daheim?«
»Noch nicht.«
»Na, ich brauche sie auch nicht. Ich komme nur, um Dir zu sagen, daß Du keine Sorge um mich zu haben brauchst. Lege Dich in Gottes Namen schlafen. Wir haben die Karnickel erwischt, hier sind sie, und werden sie jetzt gleich zum Fürsten schaffen. Gute Nacht!«
Die Gefangenen zwischen Wilhelmi und Schulze, der Förster mit dem Hunde hinter her, so ging es jetzt nach dem Orte hinein und denselben hinauf bis zum früheren Seidelmann’schen Hause, in welchem jetzt die Familie Hauser wohnte. Es brannte noch Licht. Es waren in Folge der Hochzeit noch nicht alle Bewohner zu Bette gegangen. Als die Ankömmlinge in die untere Stube traten, befand sich der Bräutigam noch da.
»Der Förster?« fragte er erstaunt. »Wen bringst Du denn da?«
»Gucke Dir den Kerl nur an!«
»Mein Gott! Seidelmann! Und dieser Andere? Ah, das ist gewiß der Apotheker, der auch gesucht wird. Wo habt Ihr sie denn gefangen?«
»Davon nachher! Nicht wahr, der Fürst schläft?«
»Schon längst, aber ich werde ihn wecken!«
»Oho! Das überlaß’ nur mir! Ich will auch meinen Spaß bei der Geschichte haben. Zeige mir seine Thür!«
Diese befand sich eine Treppe hoch. Dort angekommen, klopfte der Alte an, als ob er Todte erwecken wolle.
»Durchlaucht! Durchlaucht!« rief er dabei.
»Wer ist draußen?« fragte der Erwachte.
»Der Vetter Wunderlich.«
»Was giebt es denn?«
»Schnell aufgestanden! Wir haben Sie.«
»Wen denn?«
»Den frommen Seidelmann und seinen Apotheker.«
»Ah! Warte einen Augenblick!«
Nach noch keiner Minute wurde die Thür geöffnet, obgleich der Fürst noch nicht alle Stücke seines Anzuges angelegt hatte. Er fragte den eintretenden Förster: »Ist’s Ernst oder Scherz?«
»Donnerwetter! Sehe ich so spaßhaft aus?«
»Allerdings nicht, sondern gerade wie ein Feldherr, der eine Schlacht gewonnen hat.«
»Die habe ich auch gewonnen.«
Er erzählte das Abenteuer, während der Fürst sich ankleidete. Dann begaben sich Beide hinab. Die Gefangenen wagten kaum, die Augen aufzuschlagen, als der Fürst eintrat. Er sprach kein Wort zu ihnen; er sagte nur zu den anderen Anwesenden: »Sie sind es. Eduard, schnell einen Wagen besorgt. Ich muß mit ihnen nach Brückenau auf die Bahn, um sie mit dem ersten Zuge nach der Residenz zu bringen.«
Eduard eilte fort, und der Fürst wendete sich an den Förster, an Wilhelmi und Schulze:
»Sie wissen, welcher Preis auf die Ergreifung dieser Beiden ausgesetzt ist?«
»Ja,« antwortete Wunderlich. »Viertausend Gulden in Summa. Nicht?«
»Ja. Ihr habt sie zu bekommen. Nur theilt sich diese Summe gerade schlecht unter Dreien.«
»Sie wird sich schon theilen unter Zweien!«
»Unter Zweien? Wie ist das gemeint?«
»Na, ich nehme nichts. Ich habe zu leben, und ich habe keine Kinder. Diese Beiden aber sind arm und haben
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