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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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»Das habe ich leider vorhin gesehen. Es ist ein wahres Glück, daß nur Durchlaucht zugegen gewesen ist. Diese unangenehme Angelegenheit läßt sich also noch todtschweigen.«
    »Bitte, Papa, das liegt nicht in meiner Absicht und wohl auch nicht in der Deinigen.«
    »Nicht in der meinigen? Wieso? Ich erstaune!«
    »Giebst Du vielleicht zu, daß Herr Bertram ein hoffnungsvoller und interessanter junger Mann ist?«
    »Das mag sein.«
    »Und daß ich nicht ganz häßlich bin?«
    »Hm!« schmunzelte er. »Die Leute sagen, daß Du mir sehr ähnlich seist.«
    »Ja, der Mama aber noch mehr. Ein Vater aber, der seine hübsche Tochter in dieser engen Weise mit einem interessanten Herrn verkehren läßt, der ist doch selbst Schuld, wenn aus dem gegenseitigen Interesse etwas Innigeres wird!«
    »Herrgott, jetzt bin nun ich das Kaninchen, welches angefangen haben soll!«
    »Ja, gewiß. Aber sprechen wir von vollendeten Thatsachen. Wir haben uns gegenseitig lieb, aber wir fordern von dieser Liebe keine Gerechtsame. Herr Bertram will recht arbeiten, um sich eine Stelle im Leben zu erringen, und wenn diese Stelle Raum genug und Höhe genug für mich hat, dann werde ich neben ihm Platz nehmen. Wenn er mich verdient, so will ich der Preis seines Strebens sein, sonst und eher aber nicht.«
    Der Oberst holte tief Athem und seufzte.
    »Gott sei Dank!«
    Und seine Tochter fuhr fort:
    »Wir haben nur für einige Minuten unsern Herzen die Erlaubniß ertheilt, zu sprechen. Es wird jetzt nicht wieder geschehen. Für Robert kommt die Zeit einer ernsten, schweren Arbeit; er hat keinen Raum für Tändeleien. Ihr dürft also keine Sorge haben, ebensowenig, wie ich sagen kann, daß ich um ihn in Sorge bin.«
    »Gott sei Dank!« seufzte der Oberst abermals.
    »Warum dankst Du Gott, lieber Papa?«
    »Weil ich sehe, daß aus der Sache nichts wird.«
    »Du irrst Dich ebenfalls.«
    »Oho! Ich bin Menschenkenner und verstehe mich auf jugendliche Mädchenherzen. Aus den Augen, aus dem Sinn!«
    »Bitte, Papa, eine so böse Meinung hast Du von Deiner Tochter gar nicht!«
    »Pah! Eine noch viel schlimmere!«
    »Darf ich sie erfahren?«
    »Ja. Du bist ein ungerathenes Kind, welches nur einen Dichter heirathen will. Du bist eine ungerathene Tochter, welche sich einbildet, ihren Vater beherrschen zu können. Du hast Dir vorgenommen, ein Nagel zu meinem Sarge zu sein; ich aber gebe Dir mein Wort, daß ich mir vornehme, noch länger zu leben, als alle Dichter der Erde. Dieser Bertram bekommt Dich nicht, außer – außer – –«
    Er hielt in komischem Eifer inne.
    »Nun, außer – –?« fragte sie.
    »Außer, Du willst es denn gar nicht anders.«
    Da fiel sie ihm um den Hals und sagte lachend:
    »Das wußte ich, Papa! Du hast ihn ja nur fortgeschickt, um mir hinter seinem Rücken zu sagen, daß Du ihn ganz und gar gern hast!«
    »Das laß Dir nur nicht einfallen!«
    »Und doch ist es so richtig!«
    »Oho! Ich will Dir sagen, daß ich Dir vertraue. Du bist ein sehr verständiges Mädchen und wirst Dir Dein Glück selbst gestalten. Darauf hin hat Dich unsere Erziehung gelenkt, und so werden wir Dir auch nicht im Wege sein. Auf eine adelige Parthie dringe ich nicht. Du bist die letzte Hellenbach. Ob diese die Frau eines Blaublütigen wird oder nicht, das ist mir gleich; aber glücklich soll sie sein. Dieser Dichter ist noch jung. Er mag mit dem Leben ringen und sich einen Platz erobern. Zeigt er sich Deiner werth, nun wohl, so soll er uns willkommen sein. So wird es und nicht anders!«
    »Aber Papa, warum schicktest Du ihn da fort? Das konntest Du ihm doch sagen!«
    »Ich denke mir, daß Du es ihm bereits gesagt hast?«
    »Allerdings.«
    »Nun, so konnte er eben gehen, denn ich hätte ihm ja doch nichts Anderes sagen dürfen.«
    »Aber was sage ich morgen?«
    »Wieso morgen?«
    »Wenn er kommt, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen?«
    »Da hast Du ihm gar nichts zu sagen. Da spreche ich mit ihm.«
    »Warum ich nicht?«
    »Weil das nutzlos ist. Ich werde ihm sagen, daß Du Dich wohl befindest. Damit kann er zufrieden sein.«
    »Das wird er nicht. Wenn er nicht mit mir sprechen darf, so wird er sich ängstigen. Er wird denken, daß ich der Schwefelsäure erlegen bin!«
    »Ja, daß Dich die Schwefelsäure ganz aufgefressen hat. Habe nur keine Sorge! Wenn er kommt, ich werde ihn schon hinausschwefeln, daß ihm das Wiederkommen schwefelsauer wird. Erst einen Platz in der Gesellschaft haben, dann soll er kommen!«
    »Aber er muß mich doch zuweilen sehen, um

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