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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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könnte.«
    »Sie meinen unsere Fanny?«
    »Ja.«
    »Es giebt doch keinen Helfenstein!«
    »O doch!«
    »Na, bitte! Sie meinen doch nicht etwa Franz von Helfenstein, den Räuberhauptmann? Und dieser ist ja der einzige noch existirende Helfenstein.«
    »Das hat man bisher geglaubt.«
    »Wie? Was? Sie werden mysteriös!«
    »Entsinnen Sie sich, daß Baronesse Alma einen Bruder hatte?«
    »Ja. Es war ein einjähriger Knabe wohl.«
    »Diesen meine ich.«
    »Der ist ja mit verbrannt!«
    »Nein. Er lebt noch.«
    »Was Sie sagen! Er lebt noch? Unmöglich!«
    »Er lebt wirklich noch. Baron Franz wollte ihn tödten lassen, der Mörder aber hatte Mitleid. Er brannte zwar das Schloß nieder, rettete aber den Knaben und gab ihn unter fremdem Namen in – in – na, sagen wir in sichere Hände. Jetzt nun hat dieser Mann gestanden, daß der kleine Helfenstein noch lebt.«
    »Wunderbar! Haben Sie ihn aufgesucht?«
    »Ja.«
    »Wo ist er?«
    »Er hat bei mir einstweilen ein heimliches Asyl gefunden.«
    »Sind sind doch ein wahrhaft außerordentlicher Mann!«
    »Besten Dank! Dieser junge Mann hat viel, sehr viel zu leiden gehabt, und ich dachte daran, daß er das Glück verdiene, die Hand einer Dame wie Fräulein Fanny zu besitzen. Darum also mein Vorschlag.«
    »Sapperment! Ist es wirklich zweifellos nachgewiesen, daß er ein Helfenstein ist?«
    »Ja.«
    »Darf man ihn einmal sehen?«
    »Ja. Ich werde ihn Ihnen morgen vorstellen.«
    »Ist er interessant?«
    »Gewiß.«
    »Vielleicht so interessant wie dieser Bertram?«
    »Ohne Zweifel. Helfenstein ist mir noch viel lieber und ist überhaupt bedeutend interessanter als Bertram.«
    »Hörst Du es Fanny?«
    Diese hatte mit Aufmerksamkeit zugehört. Sie saß höchst nachdenklich in ihrem Sessel. Jetzt bei der Frage ihres Vaters legte sich eine eigenthümlich freudige Helle auf ihr schönes Angesicht. Sie antwortete: »Ja, lieber Vater.«
    »Und was denkst Du von diesem verlorenen und so plötzlich wiedergefundenen Sohne?«
    »Daß seine Schicksale sehr interessant sind.«
    »Aber er selbst?«
    »Ist vielleicht auch so interessant.«
    Er warf ihr einen höchst befremdlichen Blick zu und sagte:
    »Da hat man es! Man braucht einem Mädchen gegenüber nur das Wort interessant auszusprechen, so ist sie sofort gefangen wie der Sperling in den Krallen der Katze.«
    »Wie gesagt,« fuhr der Fürst fort, »ich werde Ihnen diesen jungen Herrn morgen vorstellen. Ich würde mich sehr freuen, wenn er die Theilnahme Fräulein Fanny’s erweckte!«
    Da warf sie ihm einen siegreichen Blick zu und sagte:
    »Durchlaucht irren sich dieses Mal in Ihrem Liebling!«
    »Wieso?«
    »Ich durchschaue Sie! Ich lese zwischen den Zeilen. Ich lasse mich nicht auf die Probe stellen.«
    »Wieso, Probe?«
    »Ich bleibe Bertram treu!«
    »Aber, Mädchen,« sagte ihr Vater. »Sieh Dir doch diesen verlorenen Sohn erst an!«
    »Das werde ich allerdings thun, wenn er kommt. Er ist ja so außerordentlich interessant.«
    »Der Andere aber noch mehr! Und ein Helfenstein! Bedenke! Ganz abgesehen davon, daß die sämmtlichen Helfenstein’schen Besitzungen ihm gehören werden.«
    »Ich kenne das!« lachte sie fröhlich.
    »Nichts kennst Du! Gar nichts! Bedenke den Unterschied: Ein Baron von Helfenstein oder ein Assessor, wenn Du achtundfünfzig Jahre alt bist.«
    »Da wähle ich allerdings ungeschaut!«
    »Wieso?«
    »Du meinst, dieser verlorene Helfenstein wäre für mich eine bessere Partie?«
    »Jedenfalls.«
    »Und Durchlaucht meinen es auch?«
    »Gewiß,« antwortete dieser.
    »So darf ich mich gleich jetzt entscheiden?«
    »Ich bitte!«
    »So heirathe ich den Helfenstein und lasse Bertram sitzen.«
    Der Oberst saß mit offenem Munde da und starrte sie ganz fassungslos an. Er sagte:
    »Mädchen, Mädchen! Ich werde ja ganz irre an Dir!«
    »Ich weiß, was ich thue!«
    »Vorhin gelobtest Du, Bertram treu zu bleiben, und jetzt läufst Du so schnell zu Helfenstein über!«
    »Ich denke, das ist Dir lieb!«
    »Nun ja; aber nun dauert mich freilich dieser arme, gute Bertram. Er ist so brav und hat Dich jedenfalls recht herzlich lieb!«
    »Papa, jetzt würde ich an Dir irre werden, wenn das überhaupt möglich wäre. Aber ich kenne Dich viel zu gut!«
    Auch der Fürst betrachtete sie mit Augen, in denen zu lesen war, daß er sie nicht verstehe. So ausgelassen hatte er sie noch nicht gesehen, und für so frivol hatte er sie überhaupt nie gehalten.
    »Auch Durchlaucht wundern sich?« fragte sie.
    »Ich gestehe es offen!«
    »Da

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