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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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muß man so wenig Mitwisser wie möglich haben.«
    Der Freiherr ging einige Male nachdenklich im Zimmer auf und ab und sagte dann:
    »Gut, ich bin bereit, das Wagniß zu unternehmen; aber ich muß vorher die Kette sehen.«
    Der Goldarbeiter antwortete nicht sogleich. Auch er überlegte. Dann meinte er:
    »Giebt es hier im Schlosse vielleicht eine Glasthür?«
    »Ja. Wozu?«
    »Das werden Sie sehen. Führen Sie uns hin, Herr Verwalter. Aber natürlich dürfen wir unbeobachtet sein.«
    Der Verwalter schüttelte den Kopf über das sonderbare Verlangen, ging aber doch darauf ein. Er brachte die Beiden in ein Zimmer, welches durch eine Glasthür mit dem nebenan liegenden verbunden war.
    »Bleiben Sie hier,« sagte Jacob Simeon. »Ich gehe hinaus.«
    Er trat in das Nebenzimmer und verriegelte die Thür desselben. Er blieb einige Augenblicke unsichtbar, dann kam er an das Fenster der Thür und sagte: »Ich selbst habe die Kette. Ich habe sie mit. Ich zeige sie Ihnen, aber durch dieses Fenster, so daß die Glasscheibe zwischen uns ist.«
    »Donnerwetter, welch’ ein Mißtrauen!« meinte der Freiherr.
    »Das brauchen Sie mir nicht übel zu nehmen. Gebe ich Ihnen die Kette in die Hand, und Sie behalten sie, so kann ich einfach gar nichts dagegen thun.«
    Er hielt von jenseits die Kette an das Glas und drehte sie nach allen Seiten, so daß sie ganz genau betrachtet werden konnte. Auch das herzförmige Medaillon mit den Buchstaben
R.v.H.
war deutlich zu sehen.
    »Also das ist wirklich die echte?« fragte hüben der Freiherr.
    »Ja.«
    »Nun, so läßt sich über den Handel sprechen.«
    Jacob Simeon verschwand drüben eine kurze Weile, während welcher er die Kette an sich versteckte. Dann trat er wieder heraus. Der Freiherr lächelte ihm überlegen entgegen, klopfte ihm auf die Achsel und sagte: »Sie sind ein höchst vorsichtiger Mann. Sie betrachten mich ja wirklich als einen gefährlichen Menschen!«
    »Das sind Sie auch.«
    »Ich? Ah, das ist stark!«
    »Ist Einer, der des Nachts in das Gerichtsgebäude eindringen will, denn nicht gefährlich?«
    »Hm, ja, wenn Sie es so nehmen.«
    »Ein solcher Mann ist auch im Stande, mir die Kette nicht zurückzugeben, wenn ich so leichtsinnig bin, sie ihm anzuvertrauen.«
    »O, wenn ich wirklich so gefährlich wäre, würde Ihnen alle Vorsicht nichts nützen.«
    »Wie so?«
    »Was wollen Sie machen, wenn ich Ihnen jetzt die Kette abnehme, mein Bester?«
    »Sie wissen nicht, wo ich sie habe.«
    »Wir suchen sie aus.«
    »Das werden Sie unterlassen.«
    »Wenn wir es aber doch thun?«
    »So weiß ich mich zu wehren.«
    »Pah! Wir sind Zwei gegen Einen!«
    »Und ich bin für alle Fälle vorbereitet. Sehen Sie!«
    Er zog einen Revolver aus der Tasche.
    »Teufel noch einmal! Sie würden schießen?«
    »Ganz gewiß!«
    Der Freiherr war kein Held. Er wich einen Schritt zurück und sagte in begütigendem Tone:
    »Na, na! So ist es auch gar nicht gemeint. Lassen Sie uns in Vernunft weiter sprechen. Ich hoffe aber, daß Sie von der geforderten Summe Etwas nachlassen!«
    »Keinen Kreuzer! Ich verhelfe Ihnen zur Baronie; das kostet fünfzigtausend Gulden, keinen Deut mehr, aber auch keinen weniger. Ich handle nicht.«
    »Wenn ich nicht darauf eingehe, so haben Sie gar nichts!«
    »Oho! Glauben Sie, es ließe sich kein anderer Robert von Helfenstein finden?«
    »Sie sind wahrhaftig ein Hauptschurke!«
    »Ich bin ein ehrlicher Kerl. Ich bediene Sie ehrlich und will dafür auch ehrlich bezahlt sein.«
    »Wie aber nun, wenn Sie mich doch betrügen? Wer giebt mir die Garantie, daß die Kette wirklich echt ist?«
    »Da müssen Sie sich allerdings auf mein Wort verlassen.«
    »Wie sind Sie in den Besitz derselben gekommen?«
    »Der Althändler Salomon Levi brachte sie mir. Er ließ zuweilen bei mir arbeiten. Ich sollte ihm ein täuschend ähnliches Herz machen und das
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verwandeln. Ich ahnte sofort, daß es sich hier um eine Sache von Wichtigkeit, vielleicht gar um eine Geburtslegitimation handle. Daraus war Geld zu schlagen. Ich machte das Medaillon, aber dann auch noch von der ganzen Kette ein täuschend ähnliches Exemplar, gab ihm Beides und behielt das Original für mich.«
    »Schuft!« lachte der Freiherr.
    »O, der Jude ist auch Schuft. Ihn zu betrügen, halte ich für keine Sünde. Jetzt nun erfuhr ich durch meine Tochter, welchen Werth diese Kette hat. Man forscht nach, wer das Medaillon gefertigt hat. Der Jude hat es noch nicht gestanden.«
    »Sie aber machen sich dennoch aus dem

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