Der verlorne Sohn
Erben.«
»Nun, dann wollen wir doch vorher erst seinen Tod abwarten, mein Herr.«
»Das werde ich allerdings. Aber ich habe jedenfalls das Recht, mich um Angelegenheiten zu kümmern, welche später meine eigenen sein werden. Wenn Sie also zu inspiciren beabsichtigen, betheilige ich mich.«
Es glitt ein lustiges Lächeln über das Gesicht des Fürsten, als er antwortete:
»Sehr gut. Wir werden also auch Sie inspiciren.«
»Wie meinen Sie das?« fragte der Freiherr schnell. »Ich hoffe nicht, daß Sie mich für übermäßig spaßhaft halten!«
»O nein, das thue ich nicht. Ich kenne Sie überhaupt noch nicht, weiß also auch gar nicht, was ich von Ihnen zu halten habe; doch denke ich, es baldigst zu erfahren. Sie verlangen, an der Inspection betheiligt zu sein, und ich gewähre Ihnen Ihre Bitte, indem wir Sie mit inspiciren.«
»Bitte? Ich habe keineswegs gebeten. Ich weiß mich im Besitze meiner Rechte und habe also nur zu fordern. Natürlich will ich inspiciren, nicht aber inspicirt werden.«
»Ah, so! Thut mir leid! Da muß ich Ihnen freilich sagen, daß wir von Ihren Rechten noch nicht die richtige Ueberzeugung haben. Sie werden also wohl verzichten müssen, sich uns zu collegiren.«
»Ich verzichte nicht!«
»So bin ich neugierig, wie Sie es anfangen werden, als Inspector neben uns thätig zu sein.«
»Das werden Sie baldigst sehen.«
»Natürlich aber werden wir jede unberufene Einmischung zurückweisen müssen.«
»Ich lasse mich nicht zurückweisen!«
»So giebt es einen Paragraphen, welcher den Widerstand gegen die Staatsgewalt mit schwerer Strafe bedroht!«
»Es hat kein Mensch das Recht, hier diesen Paragraphen in Anwendung zu bringen.«
»Dennoch aber nehmen wir Drei vorläufig dieses Recht für uns in Anspruch.«
»Ich befinde mich in meinem zukünftigen Eigenthume!«
»Jetzt aber ist es noch nicht Ihr Eigenthum. Sie sind hier völlig fremd. Nebenbei ertheile ich Ihnen den guten Rath, überhaupt zu verzichten. Es ist ein anderer, viel näherer Erbe, als Sie es sind, vorhanden.«
»Den giebt es nicht!«
»Sie werden ihn kennen lernen.«
»Jetzt aber kenne ich ihn noch nicht und beharre also auf meinem Rechte. Wollen Sie sich die Bücher vorlegen lassen, so nehme auch ich Einsicht von ihrem Inhalte.«
»Sie werden, wie gesagt, verzichten. Sie bekommen nichts vorgelegt, und erzwingen läßt sich nichts.«
»Das wird sich finden!«
Er sprach das in übermüthigem Tone. Der Fürst zog die Stirn in Falten und antwortete:
»Hören Sie! Bis jetzt habe ich Ihr Verlangen für einen unzeitigen, etwas kindlichen Scherz gehalten und es demgemäß beantwortet. Sollten Sie wirklich Ernst machen, so mache ich Sie auch in allem Ernste darauf aufmerksam, daß Sie es mit den Vertretern des Gesetzes zu thun haben, welche die nöthige Macht besitzen, ihren Verordnungen Nachdruck zu geben. Wir sind nicht allein gekommen. In wenigen Minuten werden hier Gensd’armen eintreffen, denen wir einen Jeden überweisen werden, welcher sich unterfangen sollte, uns zu incommodiren.«
Und sich zu dem Verwalter wendend, fuhr er fort:
»Es handelt sich heute um die Ermordung des Barons Otto von Helfenstein und die Ermordung des Hauptmanns von Hellenbach. Der Baron Franz von Helfenstein hat die That eingestanden und wird unter Bedeckung binnen einer Viertelstunde hier eintreffen, um an Ort und Stelle verhört zu werden. Sie haben sämmtliche hier anlangende Herren als Gäste zu betrachten und für standesgemäße Verpflegung zu sorgen. Uns weisen Sie jetzt drei nebeneinander liegende Wohnungen an. Sie haben uns jetzt als Ihre Herren anzusehen und jedem unserer Worte augenblicklichen Gehorsam zu leisten. Also, jetzt vorwärts!«
Ohne den Freiherrn eines weiteren Blickes zu würdigen, verließ er mit dem Assessor und dem Staatsanwalt den Salon. Tannenstein stieß einen Fluch aus und murmelte: »Verdammter Kerl! Er ist an Allem schuld, er allein! Also ein näherer Erbe ist da! Gut, ja! Aber diesen näheren Erben werde ich Euch nennen, ich! Und dann – sapperment, was ist das? Jetzt geht es los.«
Es rollten mehrere Wagen in den Hof. Gensd’arme und Gerichtsbeamte stiegen aus. Aus einem der Wagen wurde eine Gestalt gezogen, bei deren Anblick der Freiherr vor Schreck fast laut aufgeschrieen hätte.
Es war der Baron Franz von Helfenstein. Aber wie sah dieser Mann jetzt aus! Die Arme waren nicht zu sehen. Sie wurden durch einen Gypsverband fest an den Leib gehalten. Er trug Sträflingshosen, ebenso Weste und darüber
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