Der verlorne Sohn
einen sackartigen Ueberwurf. Sein Gesicht war eingefallen, wie dasjenige eines Todten, seine Lippen waren blutleer, und seine Augen lagen tief in ihren Höhlen. So weit hatte ihn die Verletzung der beiden Arme gebracht. Das Wundfieber hatte seine früheren Kräfte verzehrt, seinen Muth zerstört und seine Hartnäckigkeit vernichtet. Er hatte Alles gestanden.
»Das ist er!« murmelte der Freiherr. »Wie sieht er aus! Ja, da tauge ich hier nichts. Ich mag die Geschichte gar nicht mit ansehen, sondern ich will machen, daß ich fortkomme.«
Er wartete noch kurze Zeit, bis es ihm möglich war, ohne Aufsehen zu erregen, einspannen zu lassen. Dann kutschirte er fort.
Als er bei sich in Grünbach ankam, suchte er sogleich seine Tochter auf. Sie stand vor einem bis auf den Boden reichenden Spiegel und musterte ihre Gestalt.
Sie war schön, aber von jener rein fleischigen Schönheit, welche nur die Sinne in Beschlag nimmt und später in Formen übergeht, welche man Dickheit nennt.
»Vater,« sagte sie, »tritt einmal hierher und betrachte mich im Profil. Meinst Du nicht, daß ich ein Wenig zu dick werde?«
»Dick! Dick! Theodolinda, welch ein Ausdruck!«
»Nun ja, ästhetisch ist er nicht, aber er trifft das Richtige. Da, greife einmal meine Arme an! Ist das nicht dick, he?«
»Du bist grad so, wie Du sein sollst!«
»Nein. Ich nehme viel zu sehr zu! Ich werde Essig trinken und Kaffeebohnen kauen. Und die rothen Backen! Ich sehe wie ein Bauernmädchen aus. Was soll Herr von Hagenau denken!«
»Hagenau? Hast Du von ihm gehört?«
»Er ist da.«
»Woher weißt Du das?«
»Der Gärtner war in Reitzenhain und hat ihn aussteigen sehen.«
»Und es Dir erzählt?«
»Wo denkst Du hin! Er hat zur Zofe davon gesprochen, und diese theilte es mir mit.«
»Weiß sie denn von unserem Projecte?«
»Sie scheint gehorcht zu haben.«
»Sapperment! Das werden wir ihr abgewöhnen! Hoffentlich kommen die beiden Hagenau’s morgen schon herüber.«
»Wenn sie wüßten!«
»Hm, ja! Es ist eine alte berühmte Familie. Die Partie ist also gut, zumal –«
»Zumal wir speculiren.«
»Gerade so wie sie. Sie wollen Geld, und wir wollen uns in ihrem Stammbaume sonnen. Wenn der Alte wüßte, daß wir fast ärmer sind als er und daß wir nur dem Pascherkönig die Einnahmen verdankten, welche es uns ermöglichten, standesgemäß zu leben. Und nun soll und muß ich fünfzigtausend Gulden schaffen!«
»Fünfzigtau – –!«
Das Wort blieb ihr im Munde stecken.
»Ja, freilich!« nickte er.
»Wozu? Bist Du sie denn schuldig?«
»Nein. Ich soll sie bezahlen als Preis für den Reichthum der Helfensteins.«
»Ich verstehe Dich nicht.«
»Laß Dir erzählen. Du bist in Allem meine Vertraute gewesen, ich kann Dir also unbedenklich auch diese Angelegenheit anvertrauen.«
Er erstattete ihr ausführlichen Bericht. Sie hörte aufmerksam zu und fragte dann:
»Was hast Du beschlossen?«
»Noch nichts. Ich wollte erst Dich hören.«
»Das ist gar nicht nöthig. Es versteht sich ganz von selbst, was hier zu thun ist.«
»Nun was?«
»Wir greifen zu.«
»Gut; aber dieser Jacob Simeon will auch zugreifen. Er verlangt zunächst die Hälfte.«
»Die muß geschafft werden.«
»Aber wie?«
»Hm! Könnte man diesen Menschen denn nicht betrügen?«
»Nein. Er ist zu schlau.«
»Oder ihm die Kette abnehmen?«
»Ich habe Dir ja erzählt, daß er bewaffnet ist.«
»Was das betrifft, so ist mir das gleichgiltig. Vor einem Revolver braucht man sich nicht zu fürchten.«
»Ja, da kenne ich Dich. Du hättest ein Junge werden sollen. Aber die Kette allein nützt uns nichts. Wir müssen auch das Kinderzeug haben, und das können wir ja ohne seine Hilfe nicht bekommen.«
»Hm! Die Fünfundzwanzigtausend müssen wir also unbedingt haben. Vielleicht betrügen wir ihn dann um die andere Hälfte.«
»Gott, mir macht ja bereits schon die erste Hälfte zu schaffen. Woher das Geld nehmen?«
»Wieviel hast Du?«
»Ich habe kaum fünftausend Gulden in der Casse. Und das ist mein ganzes Vermögen.«
Sie blickte nachdenklich vor sich hin. Dann sagte sie:
»So muß ich sehen, wie das Geld zu schaffen ist.«
»Du? Wie wäre Dir es möglich?«
»Vielleicht doch. Laß mich nur machen. Um so reich zu werden, darf man seine Gedanken schon einmal anstrengen. Das Geld muß geschafft werden, und also wird es geschafft!«
»Aber noch weißt Du ja nicht, ob wir für einen Heller Nutzen haben werden.«
»Ich weiß, daß wir reich sein werden; das ist
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