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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Uebrigens hat er es Dir nur geborgt, weil er eben damals mich kurz vorher im Bade gesehen hat.«
    »Also er soll Dir das Geld geben?«
    »Du willst es von ihm verlangen?«
    »Ich denke, daß er es mir selbst anbieten wird.«
    »Und Du willst – ah, willst Du Dich verkaufen?«
    »Fällt mir nicht ein!«
    »Fünfundzwanzigtausend Gulden! Bedenke, welch eine Summe! Die borgt er nicht blos aus reiner Anbetung her. Er wird ein Äquivalent verlangen.«
    »Das ist meine Sache. Sprechen wir nicht darüber. Die Angelegenheit ist zu zart dazu. Was ich thue, das thue ich für mich. Uebrigens brauchen wir ja das Geld nur für kurze Zeit, denn es versteht sich ganz von selbst, daß dieser Jacob Simeon es wieder hergeben muß.«
    »Er wird sich hüten!«
    »Ueberlaß auch mir Das! Du kennst mich!«
    »Gut! Ueberlege Dir die Sache und thue, was Dir am Gerathensten erscheint.«
    Er ging.
    Diese beiden Menschen waren einander werth. Sie besaßen weder Gewissen noch wirkliches Ehrgefühl. Die Tochter war eine Amazone, von männlichem Character. Sie wollte reich sein und in der Gesellschaft eine Rolle spielen. Das Erstere war sie nicht, obgleich sie zu leben verstanden hatte, daß man sie für reich hielt. Das Letztere hoffte sie als Frau Hagenau’s zu erreichen.
    Als ihr Vater sie jetzt verlassen hatte, trat sie wieder vor den Spiegel und betrachtete sich. Dabei murmelte sie:»Fünfundzwanzigtausend! Ob er sie baar da liegen hat! Wie fange ich es an? Ich mache ihn verrückt. Freilich werde ich – – ah, brrrr – mich von ihm küssen lassen müssen! Aber es geht nicht anders. Es ist bereits Dämmerung. Niemand sieht mich zu ihm gehen. Ich versuche es einmal!«
    Sie machte Toilette und zwar in wirklich raffinirter Weise, dann verließ sie das Zimmer. Sie ging durch den Garten des Gutes und erreichte das freie Feld, wo sie einem schmalen Fußpfade folgte.
    Es wurde dunkler und dunkler. Von weitem schimmerte ein einsames Licht. Es aus einem kleinen Fenster eines alten, thurmähnlichen Gebäudes, welches einsam hier im Freien lag. Seit langer Zeit wohnte da ein alter Hagestolz, welcher Winter hieß. Niemand wußte, woher er war und was er eigentlich sei. Man wußte nur, daß er reich sei. Er wohnte ganz allein in einem ruinenhaften Gebäude. Trotzdem wagte Niemand, ihm etwa seines Geldes wegen einen feindseligen Besuch zu machen, denn er besaß zwei Hunde von riesiger Größe, welche einen Jeden zerrissen hätten.
    Jetzt befand er sich in einer Stube, welche ihm als Schlafzimmer diente. Hinter dem Bette stand eine altfränkische eiserne Truhe, welche sein Geld enthielt. Die Wände waren mit obscönen, schmierigen Bildern beklebt. Er saß vor einem Tische, auf welchem Goldhäufchen aneinander gereiht waren. Er zählte.
    Das war seine Lieblingsbeschäftigung.
    Da schlug draußen einer seiner Hunde an. Der andere fiel ein; sie bellten, als ob sie Jemand zerreißen wollten, und dazwischen ertönte der Schrei einer menschlichen Stimme.
    »Wer ist da?« sagte er zu sich. »Am Abend! In der Dunkelheit! Wer hat sich hergewagt? Jedenfalls ein Spitzbube! Ich werde nachsehen.«
    Er verließ den Raum, ging durch die Wohnstube und stieg eine schmale, steinerne Treppe hinab. Auf eine der Stufen setzte er die Lampe, deren Schein den dicken, schweren Riegel beleuchtete, welcher die massive Thür verschloß. Er öffnete die letztere ein wenig und fragte: »Wer ist da?«
    Wegen des Hundegebelles konnte er die Antwort nicht verstehen; aber es war ihm, als ob die Stimme eine weibliche sei. Er gebot den Hunden Schweigen. Sie gehorchten, und er wiederholte seine Frage.
    »Entsetzlich! Fast wäre ich auch noch zerrissen worden!«
    Diese Stimme kannte er. Es durchzuckte ihn, als ob er electrisirt worden sei. Er wagte es nicht, an die Wahrheit zu glauben; darum fragte er:»Ein Frauenzimmer! Wie heißen Sie?«
    »Helfen Sie mir doch lieber, anstatt zu fragen! Ah, welche Schmerzen!«
    Im nächsten Augenblicke stand er neben ihr und sagte:
    »Gnädiges Fräulein! Sie sind es, Sie!«
    »Ja. Jagen Sie zunächst diese Bestien fort!«
    »O, die thun Ihnen nichts! Haben Sie keine Sorge! Aber wie kommen Sie denn hierher?«
    Sie saß auf einem Steine, welcher in der Nähe der Thür lag und ließ ein halb unterdrücktes Stöhnen hören.
    »Ich war spazieren,« antwortete sie, »da drüben am Waldesrande. Ich sah eine Natter und sprang zur Seite. Da vertrat ich mir den Fuß.«
    »O weh!« sagte er im Tone des Mitleides.
    »Ich konnte nicht gehen. Ich wartete. Ich hoffte,

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