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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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genug.«
    »Ja, zum Teufel! Wir brauchen doch einen Robert.«
    »Ja, den brauchen wir freilich.«
    »Woher nehmen?«
    »Den haben wir schon.«
    »Wo denn?«
    »Hier im Hause. Ich meine Julius.«
    »Deinen Bruder! Mädchen, wir haben ganz denselben Gedanken. An Julius habe ich auch sogleich gedacht.«
    »Er paßt prächtig. Grad daß er blödsinnig ist, gereicht uns zum Vortheile. Du würdest sein Vormund.«
    »Das Alter hat er auch.«
    »Es paßt eben Alles, Alles!«
    »Aber in Beziehung auf die Hauptsache finde ich keine Antwort auf die Frage.«
    »Du meinst, wie Julius, wenn er wirklich jener Robert von Helfenstein, zu uns gekommen ist?«
    »Auch da muß Rath geschafft werden. Man ist ja nicht auf den Kopf gefallen und wird sich doch wohl irgend eine wohlklingende Fabel aussinnen können.«
    »Ich dachte bereits an unseren alten Daniel, der, bevor wir ihn engagirten, bei Baron Otto von Helfenstein Diener war.«
    »Ganz recht! Er ist nun todt und kann nichts dagegen sagen, wenn wir ihn einen Streich verüben lassen, an den er zur Zeit seines Lebens gar nicht gedacht hat.«
    »War er nicht fortgejagt worden?«
    »Ja.«
    »Könnte er nicht aus Rache –?«
    »Hm! Ja. Das ginge wohl. Aber wie kommen wir denn dazu, das fremde Kind bei uns aufzunehmen? Wohin wäre dann das unsere gekommen?«
    »Ja, das wird verwickelt. Wir müßten die todte Mama mit in die Angelegenheit ziehen.«
    »Das geht beinahe gar nicht anders.«
    »Julius müßte damals grad gestorben sein; sie hat seinen Tod verschwiegen und den fremden Knaben dafür untergeschoben.«
    »Wie aber erfahren wir das jetzt?«
    »Wir finden in einem alten Verstecke die Kette, das Kinderzeug und einen Brief der Mama. Ueberhaupt wollen wir uns darüber noch nicht die Köpfe zerbrechen. Dazu ist später auch noch Zeit. Zunächst müssen wir das Geld schaffen.«
    »Ah, Du hast einen Gedanken?«
    »Ja.«
    »Meinst Du etwa den Einsiedler?«
    »Du hast es errathen.«
    »Da mache Dir keine Gedanken. Er giebt keinen Kreuzer mehr heraus. Ich war in letzter Zeit bei ihm wegen der sechstausend, die ich ihm schuldig bin. Er will sie wieder haben und drohte mit dem Gerichte.«
    »Er wird warten.«
    »Ich glaube es nicht.«
    »O, ich weiß gewiß, daß er warten wird!«
    Sie sagte das in einem so zuversichtlichen Tone, daß er sie erstaunt ansah. Er fragte: »Wie kannst Du das so bestimmt behaupten?«
    »Das will ich Dir sagen. Ich habe bisher darüber geschwiegen. Der Alte ist in mich verliebt.«
    »In Dich ver – liebt? Ist er toll?«
    »Ja, er ist toll, nämlich ganz toll vor Liebe.«
    »Du hast es bemerkt, oder hat er gar davon gesprochen?«
    »Er hat auf den Knieen vor mir gelegen.«
    »Unglaublich!«
    »O, er hat mir seine Liebe gestanden. Er hat mir seine Reichthümer angeboten. Er hat geschluchzt und gejammert und mir den Himmel versprochen, wenn ich seine Frau werden will.«
    »Das ist stark! Er ist fast siebzig.«
    »Das sind die schlimmsten. Uebrigens verdenke ich es ihm gar nicht!«
    Sie sagte diese letzten Worte unter einem cynischen Lachen und fuhr dann weiter fort:
    »Vorigen Sommer badete ich unten im Flusse. Ich hatte Lust, einmal im Freien zu baden, anstatt im engen Badehäuschen. Die Gegend ist einsam; es gab keinen Menschen in der Nähe, und so ging ich in’s freie Wasser, ganz ohne Badeanzug, den ich nicht mit hatte, weil ich nicht auf’s Baden ausgegangen war. Und denke Dir, der Alte hat mich belauscht!«
    »Ah! Er war in der Nähe?«
    »Er hat in den Weiden gesteckt, welche am Ufer stehen.«
    »Sahst Du ihn dann noch?«
    »Nein. Ich hatte keine Ahnung von der Gegenwart eines Menschen. Er erzählte es mir, als er mir die Liebeserklärung machte.«
    »Das ist stark! Es auch noch zu erzählen!«
    »Ja. Nun denke Dir einen Menschen, wie er ist. Ein alter Junggeselle, welcher wegen seiner Häßlichkeit keine Frau bekommen hat. Er sieht mir fast eine ganze Stunde lang zu. Es ist wirklich kein Wunder, daß er gemeint hat, es müsse hübsch sein, mich zur Frau zu haben.«
    »Aber er, er! Ein Bürgerlicher, ohne Namen und Herkunft! Ein Mensch, der sich in eine halbe Ruine zurückgezogen hat, mit keiner Seele verkehrt, kein anderes Vergnügen kennt, als Geld zählen und immer wieder Geld zählen, häßlich wie ein Pavian – ah!«
    »Er ist seit jener Zeit immer bemüht gewesen, mir zu begegnen. Erst kürzlich wieder traf er mich. Er wollte mir die Hand küssen, ich aber litt es nicht; aus Zorn darüber hat er Dir das Geld abverlangt und mit dem Gericht gedroht.

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