Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
auch so viel, wie er braucht, um Noth und Sorge von ihr fern zu halten. Aber hier scherzen wir ja nur.«
    »Scherzen? Ich spreche im Ernste.«
    »Pah! Spielen wir nicht Theater!«
    »Bei Gott, es ist mein Ernst! Hören Sie! Ich liebe Sie rasend. Ich bin bereit, Alles zu thun, um Ihre Gegenliebe zu erringen. Ich will Ihnen dienen und Ihnen gehorsam sein wie ein Sclave. Ich will Ihnen zu Füßen legen Alles, was ich besitze. Wollen Sie sich als meine Verlobte betrachten und mir das schriftlich und durch Handschlag und Kuß versichern, so lege ich Ihnen die erwähnte Summe zu Füßen.«
    »So bin ich fast neugierig, zu sehen, ob Sie Wort zu halten vermögen.«
    »Warten Sie!«
    Er ging in die Schlafstube. Sie hörte Schlüssel rasseln und Eisen klirren. Dann kehrte er zurück und legte ein Päcktchen Banknoten vor sie hin.
    »Zählen Sie nach,« sagte er. »Es sind dreißig Tausendguldennoten.«
    Sie zählte. Ihre Hände zitterten. Ihre Wangen waren blaß. Sie hatte, was sie sich gewünscht hatte, ja noch fünftausend mehr, aber um welchen Preis! Doch schwebte ihr der Gedanke vor, daß es ihr ja mit dieser Verlobung gar nicht ernst sei. Die Hauptsache war das Geld. Nur erst mit dem Gelde hier zum Thurme hinaus! Das Andere würde sich später finden.
    »Stimmt es?« fragte er.
    »Ja.«
    »Sie sehen, daß ich Wort gehalten habe. Was werden nun Sie thun?«
    »Auch Wort halten.«
    »Ah! Sie sind meine Verlobte?«
    »Ja.«
    Da riß er sie an sich und schlang die Arme um sie, als ob er sie erdrücken wolle. Sie duldete nicht nur diese Umarmung, sondern sie erwiderte dieselbe. Sie küßte ihn freiwillig und flüsterte ihm zärtliche Ausdrücke zu, um nur ja keinen Argwohn in ihm aufkommen zu lassen.
    Der scheinbar verletzte Fuß war ganz vergessen. Sie saßen eng verschlungen neben einander. Doch trotz seines Glückes brachte er dann doch einen Bogen Papier zum Vorschein, auf welchem sie sich als seine Verlobte erklären mußte.
    »Was wird Dein Vater sagen?« fragte er.
    »Er darf die Thatsache nicht sofort erfahren,« antwortete sie. »Es würde ihn zu sehr treffen. Er hatte ganz andere Pläne mit mir.«
    »Du meinst, daß unsere Verlobung noch geheim bleiben soll?«
    »Ja.«
    »Wie lange?«
    »Zwei Monate, wollen wir sagen.«
    »Gut; aber länger warte ich nicht. Da aber fällt mir Dein Fuß ein. Schmerzt er noch sehr?«
    »Nicht so sehr wie vorher. Der Umschlag hat geholfen.«
    »Soll ich ihn erneuern?«
    »Nein. Man wird daheim in Sorge um mich sein; ich muß fort.«
    »Aber Du kannst doch unmöglich gehen!«
    »Vielleicht doch, ich will es versuchen.«
    Sie trat auf, und siehe da, es ging. Sie heuchelte zwar noch Schmerz, erklärte aber, daß sie glaube, keinen Wagen zu brauchen. Als sie nach dem Strumpfe griff, sagte er: »Bitte, laß das mir! Was ich Dir ausgezogen habe, kann ich Dir auch wieder anziehen.«
    Sie gewährte ihm auch noch diese Vertraulichkeit. Das Geld hatte sie ja erhalten. Dann wollte sie sich verabschieden. Er aber bestand darauf, sie zu begleiten. Sie durfte dieses Anerbieten nicht zurückweisen und hinkte nun an seinem Arme dem Gute zu. Am Garten blieben sie stehen, um Abschied zu nehmen.
    »Wann sehe ich Dich wieder?« fragte er.
    »Das weiß ich jetzt noch nicht.«
    »Bitte, recht bald! Vielleicht morgen? Darf ich wohl hierher kommen und Dich erwarten?«
    »Nein, das wäre unvorsichtig, mein Lieber. Ich komme lieber zu Dir. Das bemerkt Niemand.«
    »Schön! Wann darf ich Dich erwarten?«
    »Sobald ich kann. Jetzt weiß ich es noch nicht.«
    »So bitte ich wenigstens, meine Geduld nicht gar zu lang zu peinigen!«
    »Ich werde das Möglichste thun. Aber jetzt noch Eins: Du kennst mich, ich aber noch nicht Dich.«
    »In dieser Beziehung zahle ich Dir gleiche Münze zurück. Du mußt warten. Ich bin ein Anderer, als ich scheine. Du wirst das Richtige an dem Tage erfahren, an welchem unsere Verlobung veröffentlicht wird. Welches Geschenk wirst Du Dir für die dreißigtausend Gulden kaufen?«
    »Einen Diamantschmuck natürlich.«
    »Dachte es mir.«
    »Ich werde ihn an dem erwähnten Tage zum ersten Male anlegen. Gute Nacht.«
    »Schlafe wohl, mein Leben!«
    Noch ein Kuß, und dann eilte sie fort. Als sie sich aber in gehöriger Entfernung von ihm befand, blieb sie stehen, holte tief Athem und sagte: »Welche Scenen! Gräulich! Aber schön bin ich, und der Eindruck weiblicher Schönheiten muß auf die Männer doch ein ungeheurer sein, da selbst Geizhälse solche Summen bezahlen. Natürlich ist es aus;

Weitere Kostenlose Bücher