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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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er darf mich nie mehr berühren.«
    In ihrem Zimmer nahm sie die übrigen fünftausend Gulden für sich weg. Dann suchte sie ihren Vater auf.
    »Du warst fort,« sagte er. »Etwa bei ihm?«
    »Ja.«
    »Mit welchem Erfolge?«
    »Mit diesem.«
    Sie gab ihm das Geld in die Hand. Er fuhr vor Schreck zusammen, allerdings vor freudigem Schreck.
    »Wie ist das möglich!« rief er aus. »Die ganze Summe, baar erhalten! Wie hast Du das angefangen?«
    »Das ist vorläufig noch Geheimniß.«
    »Deinem Vater gegenüber?«
    »Hm! Du hast recht. Es ist Unsinn, heimlich zu thun. Dieses Geld ist mein Verlobungsgeschenk von ihm.«
    »Um Gottes willen!«
    »Ist das so fürchterlich?«
    »Verlobung? Das kann unmöglich sein!«
    »Es soll auch nicht sein. Ich halte ihm nicht Wort.«
    »Aber er hat Dein Wort?«
    »Sogar schriftlich.«
    »Welch’ eine Unvorsichtigkeit!«
    »Laß’ es gut sein! Wir müssen das Geld haben; die Sache wird sich arrangiren lassen.«
    »Wenn Hagenau etwas erfährt!«
    »Er erfährt kein Wort.«
    »Er kommt morgen ganz sicher. Ich bin neugierig, wie er Dir gefallen wird.«
    »Entzückt werde ich nicht gerade von ihm sein. Ich hörte, daß er von seinen Kameraden der Kranich genannt wird; also hübsch ist er jedenfalls nicht.«
    »Aber ein gutes Herz soll er besitzen.«
    »Das ist die Hauptsache. Ich trachte nicht nach einer Ehe, in welcher sich das Ehepaar zu todte schnäbelt. Ich will gegenseitige vollste Freiheit haben. Bin ich schön, nun gut, so will ich es nicht blos für Einen sein. Das Gesicht meines Mannes geht mich nichts an; aber er soll so sein, daß ich mit ihm leben kann.«
    Am anderen Tage kamen die Hagenau’s, Vater und Sohn. Sie wurden mit Aufmerksamkeit überschüttet, und bereits bald nach ihrer Ankunft waren die beiden Väter so klug, ihre Kinder allein zu lassen.
    Walther von Hagenau hatte sich die für ihn bestimmte Braut sehr genau betrachtet, Als sie jetzt neben einander am Fenster standen, zuckte ein sarkastischer Zug um seinen Mund. Er ließ ein kurzes Lachen hören und sagte: »Ich liebe die Aufrichtigkeit, gnädiges Fräulein. Sie jedenfalls wohl auch?«
    »Ja. Ihr Geschmack ist in dieser Beziehung auch der meinige.«
    »So lassen Sie uns also aufrichtig sein! Kennen Sie den Grund meines heutigen Besuches?«
    »Ja.«
    »Wir sollen uns kennen lernen.«
    »Das können wir ja thun.«
    »Schön, nur ist es zuweilen nicht leicht, sich kennen zu lernen. Daher schlage ich vor, daß wir uns gegenseitig diese mühevolle Arbeit erleichtern. Wie gefalle ich Ihnen?«
    »Meinen Sie äußerlich oder – – –«
    »Zunächst äußerlich!«
    »Hm, Kranich!«
    »Danke!« lachte er. »Das ist allerdings aufrichtig. Also auch bis hierher ist mein Kriegsname gedrungen. Ja, schön bin ich nun freilich nicht!«
    »Das wird auch nicht verlangt. Ihr innerer Mensch wird mich jedenfalls befriedigen.«
    »Hoffentlich. Dieser innere Mensch wird sich alle Mühe geben, sich Ihre Sympathie zu erwerben.«
    »Und wohl nicht erfolglos. Jetzt aber darf ich wohl auch fragen, ob ich Ihnen gefalle?«
    »Umgekehrt.«
    »Wieso? Wie meinen Sie das?«
    »Äußerlich gefalle ich Ihnen nicht, aber innerlich. Mir geht es mit Ihnen gerade umgekehrt.«
    »Ah! Ich gefalle Ihnen äußerlich?«
    »Ja.«
    »Nicht aber innerlich?«
    »Sie sind reizend, ja. Sie sind mehr als reizend; aber Ihre Seele ist schwarz.«
    Er sagte diese Worte so bombastisch, daß sie laut auflachte und in künstlichem Schreck hinzusetzte:
    »Wie die Nacht oder wie die Hölle!«
    »So ungefähr. Schwarz ist sie. Freilich, ob diese Schwärze eine edle oder nur Rußschwärze ist, das kann ich noch nicht unterscheiden; darum eben müssen wir uns kennen lernen. Wenn ich mein Urtheil fertig habe, werde ich es Ihnen mittheilen.«
    Er hatte es aber bereits fertig, denn als auf dem Heimwege sein Vater fragte, wie Theodolinde ihm gefallen habe, antwortete er:»Gar nicht, lieber Vater.«
    »Wie? Was? Dieses schöne, reizende Mädchen gefällt Dir nicht? Wo hast Du denn Deine Augen?«
    »Ganz an der richtigen Stelle. Ihre Schönheit macht Eindruck, aber dieser Eindruck ist ein unheiliger.«
    »Ich glaube gar, Du fängst an zu frömmeln!«
    »So will ich mich anders ausdrücken: Ihre Schönheit ist diejenige einer Courtisane. Und ich habe keineswegs die Absicht, mir eine Frau zu nehmen nur zum Vergnügen Anderer.«
    »Du irrst.«
    »Das wollen wir sehen. Ich werde beobachten.«
    »Aber beeile Dich damit! Wir brauchen Geld.«
    »Hm! Ist dieser Herr von Tannenstein

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