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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wirklich reich?«
    »Ja.«
    »Warum trägt er da unechte Steine in den Ringen?«
    »Wären sie unecht?«
    »Ja, ich wette auf meinen Kopf, daß sie imitirt sind. Ich werde denn doch die Augen ein Wenig aufmachen, ehe ich ein reiches Mädchen nehme, um mit ihr zu verhungern.«
    Am nächsten Vormittage ließ sich Jacob Simeon bei dem Freiherrn melden. Er war erwartet worden und wurde in Folge dessen sogleich vorgelassen.
    »Sie wollen sich meine Entscheidung holen,« sagte der Tannensteiner. »Ich bin entschlossen, es mit Ihnen zu versuchen. Haben Sie die Kette mit?«
    »Ja.«
    »Zeigen Sie her?«
    »O bitte! Haben Sie das Geld?«
    »Ja.«
    »Zeigen Sie her! Sie sehen, daß ich Ihnen Ihre eigenen Worte zurückgebe. Man muß vorsichtig sein.«
    »Da, sehen Sie sich diese Banknoten an!«
    Der Freiherr warf ihm die Summe auf den Tisch. Der Goldarbeiter prüfte jede einzelne Note. Er hatte es wirklich kaum für möglich gehalten, eine solche Summe auf einmal ausgezahlt zu erhalten. Desto befriedigter steckte er sie zu sich und gab die Kette dafür heraus. Dann fragte er: »Wie gedenken Sie es nun mit den Kindersachen zu halten?«
    »Wir fahren heute nach der Residenz, nämlich ich und meine Tochter. Ich möchte keine Zeit verlieren.«
    »Gut. Wo steigen Sie ab?«
    »Das weiß ich noch nicht genau. Am Besten ist es, Sie bestimmen mir Ort und Zeit, wo und wann ich Sie treffen kann.«
    »So kommen Sie Nachts punkt ein Uhr zum großen Brunnen auf dem Altmarkte. Sie werden mich treffen. Hoffentlich befinde ich mich da bereits im Besitze der Schlüssel.«
    »Das Letztere ist die Hauptsache. Ich werde mich ganz bestimmt zu der angegebenen Zeit dort einfinden.«
    Jacob Simeon ging, und der Freiherr theilte seiner Tochter das Resultat der Unterredung mit. Sie erklärte, ihn nach der Residenz begleiten zu wollen. Er ging darauf ein, sprach aber die Erwartung aus, daß sie nicht etwa beabsichtigen werde, sich an dem geheimen und so gefährlichen Vorhaben zu betheiligen. Sie erklärte, daß dies im Gegentheile ihre ganz bestimmte Absicht sei. Er erschrak über die Entschiedenheit, mit welcher sie dieses Vorhaben aussprach und sagte: »Bedenke, welchen Gefahren Du Dich dabei preisgiebst!«
    »Diese Gefahren sind ganz dieselben, welchen auch Du entgegengehst, Vater!«
    »Es ist ein Unterschied dabei. Ich bin Mann.«
    »Pah!«antwortete sie. »Als ob wir Frauen nur von Watte seien! Willst Du Dich lieber fremden Menschen anvertrauen als mir? Ich kenne Dich. Du bist kein sehr großer Held. Ich habe bedeutend mehr Muth als Du!«
    »Oho!« meinte er gekränkt.
    »Ja, es ist ganz gewiß so. Ich will Dich nicht beleidigen; Du mußt unbedingt zugeben, daß ich mehr Energie besitze als Du. Ich habe an Euern Paschergeschäften bedeutend mehr Antheil genommen als Du selbst; ich war mehr, weit mehr als einfach nur Deine Vertraute. Jetzt habe ich das Geld beschafft und will nun auch mitmachen.«
    »Etwa gar mit in das Amtsgebäude eindringen?«
    »Wenn ich es für nöthig halte, ja.«
    »Bist Du toll?«
    »Gar nicht.«
    »Wenn man Dich unterwegs sieht! Eine Dame in Deiner Toilette fällt auf.«
    »Unsinn! Ich werde doch nicht etwa ein Ballkleid anziehen. Ich werde schon für eine Kleidung sorgen, welche passend ist. Sei still! Ich mache mit, und dabei bleibt es!«
    »Ich sage Dir, daß ich nicht einwilligen kann.«
    »Und ich sage Dir, daß ich meinen Willen durchsetze! Hast Du diesem Manne das Geld gegeben und die Kette erhalten?«
    »Ja.«
    »Zeige sie. Man muß sie genau ansehen. – – –«
    Im Tivoli, dem Locale, in welchem Max Holm zur Tanzmusik die Violine gespielt hatte, war wöchentlich zweimal gewöhnlicher Ball. Diese Abende wurden nur von den Söhnen und Töchtern bürgerlicher Familien frequentirt. Zuweilen verirrte sich auch ein achtbares Dienstmädchen dorthin.
    Seit einiger Zeit hatte sich da die Zofe der Baronin Ella von Helfenstein dort eingefunden. Sie war von seiten des Gerichtes, welches das Palais des gefangenen Barons mit Beschlag belegt hatte, entlassen worden und wartete nun auf die Gelegenheit, in eine passende Stellung zu treten. Als gewöhnliches Hausmädchen wollte sie sich nicht engagiren lassen, bessere Placements aber waren selten. Das genirte sie aber nicht. Ihr Lohn war so gut gewesen, daß sie sich etwas gespart hatte. Darum konnte sie es für einige Zeit aushalten.
    Sie war sehr hübsch, darum hatte es ihr an diesen Abenden nicht an Tänzern gefehlt. Heute nun hatte ihr der Briefträger ein Schreiben gebracht,

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