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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hier.«
    »Sie meinen, ich solle hier bleiben?«
    »Ja.«
    »Fällt mir gar nicht ein.«
    »Denken Sie nicht daran, daß ich Sie entlassen werde!«
    »So gehe ich selbst.«
    »Das werde ich verhindern. Sie dürfen Ihre Verletzung nicht so leicht nehmen.«
    »Ich bin ja ganz wohl! Der Schädel brummt zwar ein wenig, sonst aber fehlt mir gar nichts.«
    »Und doch haben Sie keine Erinnerung! Ihr Fall ist für den Arzt höchst interessant; er muß auf das Genaueste beobachtet werden. Ich lasse sie nicht fort.«
    »Aber ich könnte vielleicht schon heute herausbekommen, wer mich geschlagen hat!«
    »Wenn Ihnen das möglich ist, dann ist es dem Untersuchungsrichter noch viel leichter möglich. Sie werden hier wenigstens so lange warten, bis er morgen bei Ihnen gewesen ist.«
    Hauck blickte nachdenklich vor sich hin. Ueber sein Gesicht ging jener schelmische Zug, welcher ihm so sehr eigenthümlich war. Dann antwortete er in ergebungsvollem Tone: »So muß ich liegen bleiben und mich darein ergeben!«
    »Ja. Sie werden hier ja viel besser abgewartet und gepflegt als daheim. Und Familie, nach der Sie sich sehnen könnten, haben Sie nicht, wie ich gehört habe.«
    »Familie? Das fehlte noch! Ein Mensch, welcher todtgeschlagen werden soll, braucht keine Familie! Ich habe da jetzt etwas ganz Anderes, was mir aber viel Sorgen macht, Herr Doctor.«
    »Was denn?«
    »Hunger.«
    Der Arzt lachte abermals über die drollige Antwort und tröstete ihn mit der Versicherung:
    »Dem soll gleich abgeholfen werden. Ich werde dem Hausverwalter den betreffenden Befehl ertheilen.«
    »Aber, bitte, machen Sie keinen Fehler – denn ich habe keinen Hunger nach Wasser-oder Semmelsuppe.«

    »Nach was denn, Sie Schwerenöther?«
    »Nach Fricassee von Huhn, Hamburger Rauchfleisch, polnischem Karpfen, Leipziger Allerlei und gespickter Rindsbrust mit Remouladensauce.«
    »Nicht übel! Sie scheinen Geschmack zu besitzen.«
    »Auf der Zunge und am Gaumen, ja.«
    »Wie aber haben Sie ihm solche Ausbildung gegeben?«
    »Durch das Studium der Speisenzettel. Wenn ich nämlich kein Geld habe, so gehe ich in eine feine Restauration, kaufe mir für fünf Kreuzer Zuckerwasser, was bekanntlich das Billigste ist, und setze mich damit möglichst nahe an die Küchenthür. Dann nehme ich den Speisenzettel in die Hand und warte, bis die Thür aufgeht. Kommt dann ein appetitlicher Geruch, so sehe ich schnell auf dem Zettel nach, von welcher Delicatesse er stammt. Auf diese Weise bereichere ich mich an gastronomischen Kenntnissen und Finessen, ohne daß ich davon bankerott werde.«
    »Auch gut. Nun, heute werden Sie auf Delicatessen leider verzichten müssen.«
    »O weh!«
    »Bedenken Sie, daß Sie sich im Krankenhause befinden, wo eine Hummermajonnaise zu den Seltenheiten gehört. Ich werde nachsehen, was es giebt, und Ihnen zugleich eine Flasche Arnicaspiritus verschreiben.«

    »Etwa als Dessert, zum Austrinken?«
    »Nein, nur zum Einreiben.«
    »Ach, wegen meiner Gedächtnißbeule! Na, das muß ich mir eben geduldig gefallen lassen.«
    Der Arzt entfernte sich. Als er fort war, brummte Hauck leise vor sich hin:
    »Hierbleiben? Im Krankenhause? Nein, fällt mir gar nicht ein! Ich habe eine tüchtige Kopfnuß bekommen, weiter nichts. Sonst fehlt mir gar nichts. Meinem Gedächtnisse werde ich noch heute zu Hilfe kommen; ist’s nicht auf diese Weise, dann auf eine andere. Dort liegt mein ganzer Anzug. Ich werde mich französisch empfehlen, wenn man mich nicht freiwillig fortläßt.«
    Nach einiger Zeit kam der Hausverwalter. Er meldete:
    »Sie sollen Essen erhalten. Hier giebt es die Abendmahlzeit um sieben Uhr. Das ist vorüber, und es ist nichts übrig geblieben. Aber ich esse privatim. Wenn Sie davon Etwas haben wollen, darf ich es Ihnen geben.«
    »Nun, was giebt’s denn?«
    »Kartoffelsalat mit Schlackwurst.«
    »Schön! Bringen Sie mir getrost eine tüchtige Portion; aber wenig Salat und sehr viel Schlackwurst!«
    Der Mann ging lachend und brachte ihm nach einiger Zeit das genannte Essen. Er hatte den Wunsch des gut gelaunten Patienten erfüllt und ihm ein tüchtiges Ende Wurst beigelegt. Darum meinte Hauck:»Sie sind gar kein übler Kerl! machen Sie es mit allen Ihren Patienten so?«
    »Kann mir nicht einfallen. Der Oberarzt kurirt zumeist durch Diät. Sie glauben gar nicht, wie schnell unsere Kranken gesund werden, wenn sie täglich nur zwei Wassersuppen bekommen.«
    »Da werden Sie mich nicht lange behalten. Ich will lieber machen, daß ich Ihren Wassersuppen

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