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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hauck.
    »Wer da?« fragte er, stehen bleibend.
    »Pst! Polizei,« antwortete Adolf.
    »Oho!« meinte der Wächter in ungläubigem Tone, aber doch mit gedämpfter Stimme.
    Im Augenblicke war seine kleine Blendlaterne aus der Tasche und an Adolfs Gesicht.
    »Ah! Sie sind es,« meinte er. »Entschuldigung!«
    »Still! Mir wäre es lieber, wenn Sie wüßten, wer da drüben wohnt.«
    »Eine frühere Zofe, die Sie jedenfalls auch kennen. Sie war zuletzt bei der Baronin von Helfenstein.«
    »Ah! Die habe ich ganz und gar aus der Acht gelassen.«
    »Nicht möglich!« lachte der Wächter leise. »Man weiß doch, daß – daß ihr der Hof gemacht wurde, um – –«
    »Gut, gut! Wie lebt sie hier?«
    »Fidel. Sie kommt sehr spät nach Hause.«
    »Wann gestern!«
    »Das weiß ich nicht. Ich hatte gestern frei.«
    »Empfängt sie Besuch?«
    »Habe noch nichts bemerkt.«
    »Nicht? Sehen Sie einmal an den Vorhang!«
    »Ah, wirklich! Da ist eine männliche Person mit oben. Man sieht es am Schatten.«
    »Ja. Der Mann ist aufgestanden, jedenfalls um zu gehen. Entfernen Sie sich schnell, Wächter! Man braucht Sie nicht zu bemerken, wenn man da drüben öffnet.«
    Der Genannte ging. Droben bewegten sich ein männlicher und ein weiblicher Schatten hin und her. Adolf sagte: »Nun drücken Sie sich so fest wie möglich an die Thür, und ziehen Sie Ihr Gesicht in den Rockkragen hinein, damit man es nicht von drüben weiß glänzen sieht.«
    »Ist diese Zofe denn gefährlich?«
    »Sehr. Jetzt möchte ich fast an die Wahrheit der Namen glauben, welche Sie vorhin genannt haben.«
    »Aha!«
    »Der Tannensteiner ist nämlich ein Verwandter von dem Helfensteiner. Was hat er mit seiner Tochter im Gerichtsgebäude gewollt? Das muß ich herausbekommen! Sehen Sie! Man geht. Das Fenster wird dunkel. Passen Sie auf!«
    Jetzt wurden die über der Thür befindlichen Glastafeln hell. Die Thür ging auf. Das auf der Treppe stehende Licht beleuchtete die beiden im Eingang Stehenden, welche vorsichtig auf die Straße blickten, ob Jemand zu sehen sei.
    »Alle Teufel!« flüsterte Adolf überrascht.
    »Kennen Sie ihn?« fragte Hauck.
    »Ja, sehr gut. Horchen Sie!«
    »Es ist Niemand zu sehen,« sagte Hulda, »Du kannst also unbemerkt gehen.«
    »Wie schade! Ich wäre noch so gern geblieben!«
    »Man darf des Guten nicht zuviel thun. Du bist übrigens reichlich genug belohnt.«
    »Ja. Die beiden dummen Polizeier haben es mir freilich leicht genug gemacht, ihnen die Ringe zu verkaufen.«
    »Nun den Brief an den Obergensdarm. Denkst Du, daß wir ihn gut abgefaßt haben?«
    »Ei freilich!«
    »Und die Handschrift so verstellt, daß Niemand den Schreiber herausbekommt?«
    »Ich möchte Den sehen, der ihn entdecken will!«
    »So vergiß ihn nicht!«
    »Er kommt in den nächsten Briefkasten. Also gute Nacht!«
    »Gute Nacht! Morgen um diese Zeit stecken die Beiden im Loche!«
    »Vielleicht auch ihre Mädchen.«
    »Ja, die Landrock und die Werner. Horch!«
    Nämlich bei den letzten Worten hatte Hauck einen Laut der Ueberraschung nicht zu unterdrücken vermocht.
    »Was ist’s?« fragte Mehnert.
    »Es war ganz so, als ob ich etwas gehört hätte.«
    »Es ist kein Mensch in der Nähe. Komm, noch einen Kuß!«
    Sie gab einen und empfing einen; er ging, und sie verschloß die Thür.
    »Um Gottes willen! Was hatten Sie?« fragte Adolf leise.
    »Aus Freude! Nun endlich weiß ich Alles.«
    »Sehr gut! Es gilt einen raffinirten Plan. Ich muß diesem Menschen nach, um zu sehen, in welchen Briefkasten er den Brief steckt. Sie sind im Verfolgen nicht so geübt wie Unsereiner; wir wollen uns also trennen. Aber wir müssen uns wieder treffen.«
    »Wann und wo?«
    »Jedenfalls in kurzer Zeit, am Brunnen auf dem Altmarkte.«
    »Gut! Das ist mir der liebste Ort. Er paßt zu Dem, was ich Ihnen noch mitzutheilen habe.«
    Adolf huschte lautlos Mehnert nach, und der Paukenschläger schritt auch davon, langsam sich dem Altmarkte zuwendend. Dort hatte er noch nicht lange am Brunnen gewartet, als der Polizist wieder zu ihm stieß.
    »Ich weiß den Kasten,« sagte dieser.
    »Auch die Wohnung des Menschen?«
    »Ja. Er heißt Mehnert und ist Besitzer eines Goldwarengeschäftes, welches vorher dem flüchtigen Simeon gehörte. Er scheint jetzt der Liebhaber dieser Zofe zu sein und mit ihr einen Racheplan ausgeheckt zu haben.«
    »Ahnen Sie, was für einen?«
    »Klar bin ich mir nicht. Ich und College Anton haben heute bei ihm je einen Ring gekauft. Wir hielten beide für echt; er bestritt das.

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