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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wie Sie aber jetzt gehört haben, hat er sie für uns bestimmt gehabt. Und jetzt geht ein Brief an den Obergensd’arm. Das scheint so, als ob der Plan sich auf diese Ringe beziehe und gegen mich und Anton gerichtet sei.«
    »Warum will man sich an Ihnen rächen?«
    »Anton war zum Schein der Geliebte der Zofe, hatte aber nur die Absicht, sie betreffs ihrer Herrschaft auszuforschen.«
    »Und Sie, was haben Sie verbrochen?«
    »Ganz dasselbe. Ich habe ein anderes Mädchen auszuhorchen gehabt, kann aber nicht begreifen, warum ich da auch mit hineingezogen werden soll. Direct habe ich der Zofe doch nichts zu Leide gethan! Sie müßte mit der dicken Jette im Complot sein, mit der sie allerdings gestern im Tivoli lange Zeit gesprochen hatte.«
    Er sagte das mehr für sich hin als für Hauck; dieser aber fragte in lebhaftem Tone:
    »Die dicke Jette? Ach, nicht wahr, die Zofe war gestern im Tivoli?«
    »Ja, und Mehnert machte sich viel mit ihr zu schaffen.«
    »Meinen Sie mit der dicken Jette etwa die kleine Dicke, welche mit der Zofe beisammen saß?«
    »Ja.«
    »Und dann auch mit ihr ging?«
    »Wie? Sie ist auch mit ihr gegangen?«
    »Ja.«
    »Ich habe aber die Dicke noch später gesehen, als die Zofe längst fort war!«
    »Weil sie wiedergekommen ist.«
    »So, so! Aber Sie sprechen ganz erregt. Was haben Sie? Warum konnten Sie vorhin, als Mehnert von der Zofe Abschied nahm, sich so wenig beherrschen, daß Sie beinahe ganz laut geworden wären?«
    »Das geschah vor Freude, wie ich bereits sagte. Ein Wort, welches ich hörte, brachte mir die ganze Erinnerung an gestern zurück. Ich war natürlich ganz glücklich darüber.«
    »Welches Wort?«
    »Die Werner im Loch!«
    »Ach so! Auch mir geht jetzt ein Licht auf.«
    »Gestern ging ich nämlich im Tivoli an der Zofe und der Jette vorüber und hörte, daß die Werner in das Gefängniß müsse. Das waren die Worte, die mich veranlaßten, den Saal zu verlassen, und die mir heute doch gar nicht wieder einfallen wollten.«
    »Sie haben natürlich geglaubt, daß diese Drohung gegen Laura gerichtet sei?«
    »Jawohl.«
    »Das ist nicht der Fall, sondern sie galt ihrer Schwester Emilie, meiner Verlobten. Diese beiden Mädchen wollen sich rächen, an mir und Anton, weil wir sie verlassen haben. Wie sie es anfangen wollen, das weiß ich freilich nicht. Jedenfalls aber haben die erwähnten Ringe und auch der vorhin in den Kasten gesteckte Brief darauf Bezug. Ich werde natürlich noch während der Nacht den Kasten öffnen lassen. Dann wird es sich finden, was sie beabsichtigen.«
    »Vielleicht kann ich Ihnen eine Mittheilung machen, welche Ihnen schon jetzt Licht bringt.«
    »Welche Mittheilung?«
    »Die beiden Mädchen sind gestern Abend in dem Palais des Barons gewesen.«
    »Guter Freund, da irren Sie sich sehr.«
    »O nein.«
    »Die Schlüssels alle, die es giebt, befinden sich in meiner und Antons Verwahrung. Wir wohnen jetzt im Palais.«
    »So? Aber die Mädchens hatten auch Schlüssels.«
    »Ich weiß nicht, was ich denken soll. Sie sprechen mit solcher Ruhe und Ueberzeugung; aber ich kann nicht glauben, daß Hulda – ah, als Zofe konnte sie sich freilich auf irgend eine Weise Schlüssels verschaffen!«
    »Sehen Sie!«
    »Sie sah mich und Anton im Tivoli; sie war also sicher, hier nicht überrascht zu werden. Was aber wollte sie?«
    »Das weiß ich freilich nicht.«
    »Zwei Mädels, so allein Abends in das weitläufige, finstere und verrufene Gebäude. Sie müssen sich da eigentlich ganz entsetzlich gefürchtet haben.«
    »Wenn es sich um Eifersucht und Rache handelt, pflegt ein Mädchen gar nicht mehr an Furcht zu denken.«
    »Das ist freilich wahr. Zu welcher Thür sollen sie aber eingedrungen sein?«
    »Durch das kleine Pförtchen dort hinter der Ecke.«
    »Ah! Das war die geheime Passage auch des Hauptmannes. Haben Sie sie wirklich dort eintreten sehen?«
    »Eintreten nicht, aber heraus kommen. Ich ging ihnen nach. Als ich dort um jene Ecke kam, waren sie verschwunden. Es gab keine Erklärung, als daß sie durch die Pforte in das Palais gegangen seien. Ich beobachtete die Fenster und bemerkte wirklich baldigst einen Schein wie von einer schlecht verwahrten Laterne.«

    »Wo?«
    »Im ersten Stock, da im fünften und sechsten Fenster.«
    »Dort ist das Boudoir der Baronin gewesen. Dort giebt es noch Schmuck und Geschmei – – Donnerwetter!«
    »Was ist’s?«
    »Mir geht da nicht nur ein Licht, sondern gleich eine ganze Stearinfabrik auf. Es ist sicher so, wie ich denke: Sie

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