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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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selbst war gemeint; da gab es keinen Zweifel. Er wußte auch, daß es einen Freiherrn von Tannenstein gebe, welcher auf Rittergut Grünbach wohnte. Er hatte vom Fürsten gehört, welches Rencontre dieser mit ihm auf Schloß Hirschenau gehabt hatte. Es durchzuckte ihn hell, wie ein Blitzstrahl, und da – hopp, stand er draußen auf der Straße und eilte den Beiden mit möglichst gedämpften Schritten nach.
    Sie waren noch nicht weit entfernt. Er sah sie in ein Gasthaus mittleren Ranges treten. Dieses gehörte zu den Etablissements der Residenz, welche die Erlaubniß besaßen, während der ganzen Nacht geöffnet zu sein. So war es ihm also möglich, auch einzukehren.
    Er hatte zuletzt seine Schritte so beschleunigt, daß er, als er durch die Thür trat, bemerkte, daß die Beiden die Treppe emporstiegen. Soeben kam der Hausknecht diese Treppe herab. Robert hörte, daß er einen Befehl von den Beiden bekam; dann trat er in das Gastzimmer, wo er sich eine Tasse Kaffee geben ließ. Er wollte seine Erkundigung nicht im Augenblick anbringen, weil dies zu auffällig gewesen wäre. Erst nach einer kleinen Weile ging er hinaus. Er traf den Hausknecht im Flur, wo er Stiefeln wichste. Er steckte ihm einen Gulden in die Hand und fragte: »Kennen Sie den Herrn, welcher von wenigen Minuten mit der Dame zurückkehrte?«
    Der Gefragte betrachtete den Gulden, machte eine sehr tiefe, respectvolle Verbeugung und antwortete:
    »Natürlich kenne ich sie. Sie logiren ja hier bei uns.«
    »Seit wann?«
    »Seit gestern Nachmittage.«
    »Was ist der Herr?«
    »Kaufmann aus Kirchenbach. Moosberg ist sein Name. Scheint reich zu sein, der Mann.«
    »Ist die Dame seine Frau?«
    »Gott bewahre! Seine Tochter!«
    Und als ob er erst jetzt ahne, weshalb Robert Bertram sich nach den Beiden erkundige, sagte er:
    »Sie ist also unverheirathet! Hübsches Mädchen! Sehr hübsch; nicht wahr?«
    Dabei kniff er das eine Auge zusammen und nickte Robert höchst pfiffig zu. Dieser hielt es für das Beste, auf die Ansicht des Menschen einzugehen. Darum antwortete er: »Ja, sehr hübsch! Also reich ist sie?«
    »So scheint es.«
    »Wie lange bleiben sie hier?«
    »Hm! Lieber Herr, Sie dauern mich!«
    »Warum?«
    »Weil ich Ihnen keinen guten Trost geben kann. Sie werden wohl auf das Fräulein verzichten müssen.«
    »Sapperment! Hat sie schon einen Anderen?«
    »Das weiß ich nicht. Aber, Sie wohnen hier?«
    »Ja.«
    »Da ist es schon so, wie ich dachte: Sie werden verzichten müssen, denn die Beiden reisen ab.«
    »Wann?«
    »In einer halben Stunde habe ich die Droschke nach der Bahn zu besorgen.«
    »Das ist freilich höchst unangenehm.«
    »Ja. Mir sehr oft passirt. Man muß resigniren. Andere Städtchen, andere Mädchen. Ist’s nicht die Eine, so ist es doch die Andere. So ein Herr, wie Sie es sind, bekommt allemal eine Andere. Darauf können Sie sich verlassen.«
    Jetzt wußte Robert genug. Seine Tasse Kaffee hatte er gleich bezahlt. Er brauchte gar nicht wieder in das Gastzimmer zurückzukehren. Er ging.
    Er befand sich ganz außer allem Zweifel über das, was er zu thun hatte.
    Er blieb ein kleines Weilchen halten, nur um zu überlegen, ob er allein bleiben oder vielleicht auf der Polizei um einen Begleiter bitten solle. Nach Hause konnte er nicht erst; dazu blieb ihm keine Zeit.
    Er überlegte noch. Da kam ein Herr die Straße herauf, mit einem Reisekoffer in der Hand. Die Gaslaterne brannte nicht sehr hell. Der Herr ging vorüber, ohne zu grüßen. Robert blickte auf. Diese Gestalt kam ihm bekannt vor.
    »Herr Doctor sind Sie es?« fragte er.
    Der Andere drehte sich um.
    »Meinen Sie mich?«
    »Ja. Hoffentlich irre ich mich nicht. Ja, Sie sind es!«
    »Ah, Herr Bertram! Guten Morgen! Was thun Sie hier, so spät vielmehr so früh? Ich will nicht hoffen, daß Sie anfangen, über den Strang zu schlagen!«
    »Nein, das thue ich freilich nicht. Sie wollen verreisen?«
    »Ja, nach Reitzenhain.«
    »Sapperment! Meinen Sie Bad Reitzenhain?«
    »Ja.«
    »Man fährt nach Station Wildau?«
    »Gewiß. Von dort fährt man mit der Post nach Reitzenhain. Wollen Sie mit?«
    Er fragte natürlich nur im Scherze und war daher ziemlich erstaunt, als er die Antwort hörte:
    »Sehr gern. Ich will auch hin.«
    »Sie nach Reitzenhain?«
    »Ja, und noch weiter, nach Grünbach.«
    »Haben Sie dort zu thun?«
    »Ziemlich viel.«
    »Wie lange?«
    »Das weiß ich nicht. Ich habe mich erst vor fünf Minuten zu dieser Fahrt entschlossen.«
    Sie waren neben einander her gegangen.

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