Der verlorne Sohn
haben.«
»Ja; in dieser Weise laden Sie Alles auf mich. Aber es mag so am Besten sein. Wollen uns also die Fahrkarten besorgen. Später können wir ja weiter sprechen.«
Während der Eisenbahnfahrt war, wie sich sehr leicht denken läßt, meist die Rede von Bertrams Verwandlung in einen Baron. In Wildau stiegen sie aus und lösten sich sofort ihre Fahrscheine für die Post. Da sie die Ersten waren, welche dies thaten, erhielten sie die Plätze Nummer Eins und Zwei, also die Plätze im Fond des Wagens, welche die Besseren sind.
Holm übergab seinen Reisekoffer dem Postillion, welcher ihn zu besorgen hatte, und dann setzten sie sich in die Postrestauration, um den Abgang des Wagens zu erwarten.
Nach einiger Zeit kam der Freiherr mit seiner Tochter dazu. Sie würdigten die beiden Anderen keines Grußes, und während Theodolinde in hochmüthiger Haltung Platz nahm, ging der Freiherr, um die Fahrscheine zu besorgen.
»Die besten Plätze sind bereits weg,« meldete er, als er zurückkehrte. »Das ist unangenehm.«
»Wieso unangenehm?« fragte sie.
»Nun, wirst Du etwa mit einem schlechten Platze zufrieden sein?«
»Das nicht. Ich nehme mir eben den besten; das ist genug und versteht sich ganz von selbst.«
»Man wird ihn Dir nicht lassen.«
»Oho! Ich will Den sehen, welcher es wagt, gegen Theodolinde von Tannenstein unhöflich zu sein.«
Holm und Robert thaten, als ob die Worte sie gar nicht berührten. Sie wurden von den beiden Anderen auch gar nicht für Reisende gehalten.
Als das erste Zeichen gegeben wurde, entfernten sich Vater und Tochter. Holm und Robert folgten später und fanden allerdings ihre beiden Plätze besetzt. Sie grüßten sehr höflich, doch wurde ihnen nicht gedankt.
Sie hatten beschlossen, mit den zwei rückwärts liegenden Sitzen fürlieb zu nehmen; da aber lagen die Schirme, Hüte und andere Effecten der Tannensteins.
»Bitte, meine Herrschaften, dürften wir Sie um ein Wenig Platz ersuchen?« meinte der Doctor.
Er erhielt keine Antwort. Er wiederholte seine Worte, bekam aber auch jetzt keine Silbe zu hören. Da nahm er ganz einfach die unbequemen Gegenstände, legte sie den beiden Schweigenden in den Schooß und setzte sich.
»Rohheit!« stieß Theodolinde hervor.
»Hatten Sie etwas zu bemerken, Fräulein?« fragte der Doctor Holm.
Sie zuckte geringschätzend die Achsel, antwortete aber nicht. Darum fuhr er fort:
»Ich dachte, Sie hätten sprechen wollen. Ich liebe es, wenn dies so deutlich geschieht, daß man es verstehen kann, denn dann ist es wenigstens möglich, eine Antwort zu geben.«
»Eine Antwort wird von Ihnen gar nicht erwartet,« stieß der Freiherr hervor.
»Ach, dann hat man also gar nicht mit uns gesprochen, und wenn es richtig ist, wie ich vermuthe, nämlich das Wort ›Rohheit‹ gehört zu haben, so kann dasselbe also nur Ihnen gegolten haben. Bitte um Entschuldigung.«
Er verneigte sich sehr höflich und lächelte in sich hinein. Der Freiherr ärgerte sich außerordentlich, den ausgetheilten Stich in dieser Weise zurückerhalten zu haben, und wartete nur auf eine Gelegenheit, sich zu rächen.
Sie wollte aber nicht kommen; darum zog er sie später, als man bereits die erste Station passirt hatte, mit den Haaren herbei. Der Weg war schlecht geworden, der Wagen wurde hin und her geworfen, und so war es gar nicht zu vermeiden, daß sich die Passagiere zuweilen berührten. Bei einer solchen Gelegenheit fuhr der Freiherr Robert an:»Herr, was stoßen Sie? Sie scheinen es geradezu auf mich abgesehen zu haben.«
»Das ist wahr,« antwortete Robert ruhig.
»Unverschämtheit!«
»Nur in anderer Weise, als Sie meinen, sehe ich es auf Sie ab.«
»Was wollen Sie damit sagen? Halten Sie ihr Maul, und sitzen Sie ruhig!«
Und nach kurzer Pause meinte Theodolinde:
»Vater, ich bitte Dich! Befindet man sich hier denn in einem Mörser, um zu Mehl zerstoßen zu werden!«
»Nehmen auch Sie sich in Acht!« schnauzte in Folge dessen der Freiherr Holm an. »Sie befinden sich nicht in der Schnapspenne, wo sie zu verkehren scheinen!«
»Haben Sie mich jemals dort gesehen?« fragte Holm, indem er ihm in dieser Weise die Beleidigung zurückgab.
»Flegel!« war die Antwort.
Das war dem Doctor denn doch zu viel. Er klopfte an das Vorderfenster, ließ halten und stieg aus.
»Was giebt es?« fragte der Postillion.
»Man hat die Plätze verwechselt.«
»Wieso?«
»Lassen Sie sich die Fahrscheine zeigen.«
Dabei schob er ihm ein Trinkgeld in die Hand. Der Mann stieg sofort
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