Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
gemeines Betragen haben.«
    Da hielt es der Postillon nun freilich für seine Pflicht, die aufklärende Antwort zugeben:
    »Da sind Sie aber falsch berichtet; er ist freilich ein wirklicher Freiherr. Ich kenne ihn.«
    »Ich kenne ihn auch.«
    »Na, da möchte ich wissen, für wen Sie ihn halten!«
    »Er ist ein Kaufmann aus dem kleinen Orte Kirchenbach und heißt Moosberg.«
    Da zuckte der Freiherr zusammen; der Postillion aber meinte zweifelnd:
    »Wissen Sie das genau?«
    »Ja. Er hat sich selbst so in das Fremdenbuch eingetragen. Fragen Sie ihn, ob er es leugnet!«
    »Fremdenbuch? Das verstehe ich nicht; das geht über meinen Horizont. Aber da giebt es hier freilich eine Ähnlichkeit, welche ihres Gleichen sucht. Darf man denn vielleicht auch erfahren, wer und was Sie sind?«
    »Ja. Mein Freund ist ein Baron, und ich bin ein Doctor der Philosophie; die Namen sind ja wohl hier gleichgültig. Nun aber ist des Schwatzens genug. Ich verlange meinen Platz; erhalte ich ihn nicht freiwillig, so nehme ich ihn mir. Auf hier und hinüber!«
    Er faßte den Freiherrn mit unwiderstehlicher Stärke, zog ihn halb empor und schleuderte ihn auf den gegenüberliegenden Sitz. Theodolinde folgte ihrem Vater jetzt freiwillig. Der Kutscher stieg auf und setzte die Fahrt fort.
    Es wurde kein Wort gesprochen; aber die Augen der beiden Tannenstein’s waren um so beredter. An der nächsten Station stiegen Beide aus.
    »Jetzt macht er Anzeige,« meinte Robert.
    »Ich gräme mich nicht darüber. Wir sind gekommen, eine Fehde mit ihm auszufechten und haben uns ihm einstweilen vorgestellt. Nun weiß er, was er von uns zu erwarten hat.«
    Anstatt des Stationschefs kam der Postillon. Er sagte:
    »Ich soll die Sachen hinein bringen.«
    »Uns nicht auch?«
    »Nein. Sie haben drin gar nichts erzählt, sich aber ein Extrageschirr bestellt. Nun fahren wir allein.«
    »Recht so!«
    »Verfluchte Geschichte! Ich hielt ihn wirklich für den Freiherrn; da er aber diese horrible Maulschelle so gemüthlich einsteckte, so kann er es nicht sein. Ein wirklicher Freiherr hätte den jungen Herrn dafür massacrirt.«
    Die Fahrt wurde fortgesetzt und verlief von jetzt an ohne alle Störung. In Reitzenhain angekommen, wurde Holm von seiner Schwester und seiner Braut von der Post abgeholt. Es versteht sich von selbst, daß auch Robert Bertram willkommen geheißen wurde.
    Dieser Letztere behielt den Zweck seines Hierseins im Auge. Er erwartete die Ankunft des Freiherrn. Als dieser anlangte, beobachtete er ihn unbemerkt. Er erfuhr, daß Tannenstein in die Apotheke gegangen war und sich dann mit seiner Tochter nach dem Schlosse zu Graf Hagenau begeben hatte. Hier waren die Beiden etwa eine Stunde lang geblieben und dann nach Grünbach weitergefahren.
    Als Bertram dann in der Apotheke nachfragte, erfuhr er, daß der Freiherr sich einige Schlafpulver gekauft habe, da er seit Kurzem an Schlaflosigkeit leide.
    Er theilte dies Doctor Holm mit.
    »Das Schlafpulver geht uns jedenfalls nichts an,« meinte dieser. »Das ist Zufälligkeit.«
    »Wahrscheinlich. Aber in einer Lage wie die unsrige gewinnt Alles eine erhöhte Bedeutung.«
    »Wann brechen wir auf nach Grünbach?«
    »Ich möchte keine Zeit versäumen. Man muß recognosciren, um das Schloß und die Umgegend kennen zu lernen. Das muß natürlich am Tage geschehen.«
    »Versteht sich. Vielleicht treffen wir dabei auf den Kerl, den wir suchen.«
    »Schwerlich.«
    »O, er muß doch auch wahrscheinlich recognosciren.«
    »Wenn er nicht bereits dort gewesen ist. Brechen wir nach Tische auf?«
    »Mir ist es recht.«
    So geschah es. Am Schlusse des Mittagessens verabschiedeten sich die Beiden, ohne aber zu sagen, was sie eigentlich vorhatten. Sie gingen spazierend nach Grünbach, schlugen einen Bogen um das Dorf und hielten dann auf die Linde zu, welche zwischen demselben und dem Schlosse lag. Doch nahmen sie sich in acht, und führten dies so unauffällig wie möglich aus. Darum gingen sie an dem Baume vorüber, ohne bei ihm stehen zu bleiben, und verschwanden dann in einem Gebüsch, welches sich nach dem Walde hin zog.
    »Der Baum ist ganz passabel,« sagte der Doctor.
    »Zum Lauschen, meinen Sie?«
    »Ja.«
    »Der Stamm ist so stark, daß man sich leicht hinter ihm verstecken kann.«
    »Das werden wir freilich bleiben lassen.«
    »Warum?«
    »Weil man uns da erwischen würde. Dieser Simeon kommt und wartet da. Es versteht sich ganz von selbst, daß er sich genau umblickt. Nein. Wir dürfen uns nicht hinter dem Stamme

Weitere Kostenlose Bücher