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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Weile sagte er sylbenweise:
    »Zwei – mal – hun – dert – tau – send – Dollars. Das ist ja eine halbe Million Gulden!«
    »Hilda soll nicht darben. Jetzt denken Sie von der Sache, was Sie wollen. Bitte, sagen Sie dem Herrn Lieutenant nichts davon. Bleiben die Beiden ihrer Liebe treu, so soll das Glück nicht ausbleiben!«
    Er ging. Der Alte aber stand am Fenster, blickte ihm strahlenden Auges nach und murmelte:
    »Eine halbe Million! Gott stehe mir bei! Wer hätte das gedacht! Gerettet, gerettet! Und welche eine Schwiegertochter! Jetzt fange ich erst an, zu leben! Bisher bin ich zu dumm gewesen, wirklich glücklich zu sein!«
    Doctor Holm war von Grünbach herüber gekommen, um den Fürsten zu empfangen. Er wartete bei seinem Vater, von dessen Logis aus man die nach Wildau führende Straße überblicken konnte. Er hatte noch nicht lange gewartet, so kamen zwei Kutschwagen. Er trat vor das Haus und wurde bemerkt. Die Wagen hielten und die Herren stiegen aus – der Fürst, der Oberstaatsanwalt, Assessor Schubert und – der Paukenschläger Hauck, welcher gar nicht begreifen konnte, wie und wozu er in eine so vornehme Gesellschaft gerathen war.
    Man begab sich in das nahe liegende Gasthaus, wo Holm die Ereignisse des gestrigen Tages und der vergangenen Nacht erzählte. Die Herren hörten natürlich mit gespanntester Aufmerksamkeit zu.
    »Recht so, daß Sie telegraphirten,« sagte der Fürst. »Die Kosten des Privatzuges sind nichts gegen das, was wir hier finden. Haben Sie nach der Kette und dem Kinderzeug gefragt und gesucht?«
    »Nein. Ich wollte Ihnen nicht vorgreifen.«
    »Sehr gut! Aber warum sollte ich hier Herrn Hauck mitbringen. Der steht gar nicht in Beziehung zu dieser Angelegenheit.«
    »Gar sehr, ganz im Gegentheile. Er hat die Thäter am Gerichtsgebäude erwischt und wurde in Folge dessen von Jacob Simeon niedergeschlagen. Und weiter! Herr Hauck, haben Sie Verwandte?«
    »Nein,« antwortete der Gefragte.
    »Gar keine? Gar Niemanden? Besinnen Sie sich!«
    »Alles todt! Alles gestorben!«
    »Ein alter Herr, den ich kenne, muß Ihr Verwandter sein. Er heißt auch Hauck.«
    »Wohl nicht. Der einzige Verwandte, der vielleicht noch lebt, steckt in Sibirien.«
    »Was thut er da?«
    »Er ist Pelzhändler. Nur um uns zu ärgern, hat er früher immer von seinem Reichthum geschrieben. Der Kerl muß Geld haben, wie Heu!«
    »In welchem Grade sind Sie mit ihm verwandt?«
    »Er ist mein Oheim, meines Vaters Bruder.«

»Und in Sibirien?«
    »Ja. Das hat seine Gründe. Der Kerl ist ein Hallunke. Nämlich er und mein Vater, diese zwei Brüder, waren in ein und dasselbe Mädchen vernarrt; denken Sie, Beide in Eine und Dieselbe! Ist das nicht eine Dummheit? Der Andere konnte sich doch eine Andere aussuchen! Gut, daß ich keinen Bruder habe, denn ich bin jetzt auch so ein halber Narr. Meine Laura – na, das gehört eigentlich doch nicht hierher!«
    »Nein,« lachte der Fürst. »Lassen Sie also Ihre Laura jetzt in Ruhe!«
    »Ja. Ich kann ihr auch gar nichts thun, da sie nicht da ist. Also Beide wollten Eine. Freilich konnte sie nur Einer kriegen, und das war mein Vater; ich bin ihr Sohn. Darüber aber war der Andere fürchterlich wichsig. Er trachtete, sich zu rächen, und er wartete, bis es paßte. Beide Brüder waren Kürschner. Sie hatten einen großen Vorrath an Pelzwerk eingekauft. Sie machten ihr ganzes Vermögen flüssig, um es zu bezahlen. Der Oheim erhielt das Geld, um es zu überbringen. Er reiste ab und kam nicht wieder. Da stellte es sich heraus, daß er nicht nur mit dem Gelde durchgebrannt war, sondern daß er sogar auch das eingekaufte Pelzwerk weiter verhandelt hatte. Er brannte also mit dem doppelten Betrage durch, über die russische Grenze hinüber. Mein Vater hat sich förmlich todt gearbeitet und gehungert, um die Scharte auszuwetzen; es ist ihm nicht gelungen. Er ist frühzeitig gestorben, an der Auszehrung. Zuweilen kam ein Brief aus Rußland, zuletzt aus Sibirien; darin stand, daß der Oheim steinreich geworden sei, aber seine Adresse war niemals angegeben; er wollte uns nur ärgern.«
    »Das sieht ihm ganz ähnlich!« meinte Holm.
    »Wie? Kennen Sie ihn denn?«
    »Es scheint so.«
    »Sapperment!«
    »Ich habe ihn gesehen und mit ihm gesprochen.«
    »Wo denn? Wann denn?«
    »Heute, im Thurme. Ich meine diesen Einsiedler Winter.«
    »Was? Der sollte –«
    »Er scheint Ihr Oheim zu sein.«
    »Dieser Mensch? Mit der Truhe, der Kiste und der Lade voller Geld?«
    »Ja. Er gab Ihren Namen an;

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