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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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er sagte, er heiße nicht Winter, sondern Hauck, und ich solle an Sie telegraphiren.«
    »Warte, Hallunke, ich komme, und zwar sofort!«
    Er sprang von seinem Stuhle auf und wollte fort.
    »Halt!« gebot der Fürst. »Keine Uebereilung! Wir fahren ja mit.«
    »Das ist ganz gut; aber ich muß gleich fort!«
    »Warten Sie nur diese kurze Zeit! Sie können nicht allein hin. Es ist für Sie vortheilhafter, wenn wir als Zeugen dabei sind, wenn Sie mit diesem Manne sprechen. Uebrigens müssen wir den Arzt rufen lassen, um ihn mitzunehmen. Wir brauchen ihn nothwendig.«
    Der sanguinische Paukenschläger mußte sich fügen. Es wurde ein Bote nach dem Arzte geschickt und dieser stellte sich sofort ein. Er beruhigte die Herren in Beziehung auf den Oberlieutenant Hagenau. Nach dem Einsiedler gefragt, antwortete er: »Ich habe das Messer entfernt und ihn verbunden. Aber er hat keine Hoffnung. Ich bin überzeugt, daß er noch heute sterben wird.«
    Die Herren stiegen in die Wagen und fuhren weiter, nach Grünbach. Dort wurde im Schlosse abgestiegen, von wo sie sich sofort nach dem Thurme begaben.
    Der Fürst lobte die getroffenen Maßregeln und erklärte sich vollständig mit denselben einverstanden. Robert Bertram begrüßte ihn mit großer Freude. Theodolinde wagte nicht, aufzublicken, als die Herren eintraten. Man achtete zunächst gar nicht auf sie. Die nächste Aufmerksamkeit wurde dem Einsiedler gewidmet.
    Der Arzt untersuchte ihn und erklärte leise, daß es mit ihm zu Ende gehe; man möge es kurz mit ihm machen.
    Der Staatsanwalt verhörte ihn. Der Sterbende gestand in kurzen, abgerissenen Worten Alles ein und verlangte nur nach dem Paukenschläger Hauck. Dieser hatte sich bisher im Hintergrunde gehalten, trat aber jetzt herzu.
    »Hier bin ich,« sagte er. »Ich heiße Hauck.«
    Der Einsiedler betrachtete ihn eine Weile wortlos; dann sagte er:
    »Ja, Du bist es. Du siehst genau so, wie Dein Vater, als er in Deinen Jahren war.«
    Er konnte nur schwer und langsam sprechen. Er holte tief Athem, bevor er fortfuhr: »Man hat Dir von mir erzählt?«
    »Bist Du der Oheim?«
    »Ja.«
    »So hat man viel von Dir gesprochen. Ich habe Deine heimtückischen Briefe alle noch. Der Vater ist an der Auszehrung gestorben und die Mutter am Hungertyphus!«
    »O mein Gott! Werde ich Vergebung finden?«
    »Bitte sie darum, wenn Du sie da oben triffst!«
    »Aber Du, Du! Wirst Du mir verzeihen?«
    Hauck hatte ihn mit finsteren Blicken betrachtet. Jetzt ging es weich und mild über sein Gesicht. Er antwortete: »Du stehst vor der Pforte des Todes. Ich vergebe Dir, was ich Dir zu vergeben habe. Stirb in Frieden!«
    »Ich danke Dir! Gieb mir Deine Hand!«
    Hauck gab sie ihm. Der Sterbende zog ihn zu sich hernieder und stieß mit hastiger, widerlicher Stimme hervor:»Du kannst mir verzeihen, Du kannst es, denn Du bist der Erbe. Ich habe gescharrt, gescharrt, mehr und immer mehr! O, ich muß es hier lassen. Da liegt es, es ist Dein. Unten in der Truhe liegen meine Papiere. Sie werden beweisen, wer ich bin, und daß also dieses Geld Dir gehört. Ich wollte es genießen, mit einem schönen, jungen Weibe. Sie haben mich gemordet. Dort sitzt sie. Ich habe ihr fünfundzwanzigtausend Gulden geborgt; laß es Dir wiedergeben!«
    »Es ist da,« sagte Holm laut. »Ich habe es hier in meiner Tasche.«
    Der Einsiedler hatte dies gehört.
    »Ah,« sagte er, »sie hat es nicht! Das ist gut! Schafft sie in das Zuchthaus, die Mörderin! Komm her, mein Neffe! Ich will Dir sagen, wie viel ich Dir hinterlasse. Es ist – ist – ist –«
    Seine Rede erstarb in einem unverständlichen Lallen. Sein Blick wurde starr, seine Augen schlossen sich. Er schwieg. Der Paukenschläger entzog ihm seine Hand und trat zurück. Es flimmerte ihm um die Augen, es summte ihm um die Ohren. Reich, reich, reich! Er mußte fort, hinaus, mußte frische Luft athmen. Er ging und strich wohl einige Stunden lang im Walde umher.
    Als er zurückkehrte, stand Holm vor der Thür.
    »Wo stecken Sie denn?« fragte dieser. »Die Herren haben auf Sie gewartet.«
    »Warum? Ich denke, man hat Anderes zu thun!«
    »Das ist längst vorbei. Fräulein Theodolinde hat Alles gestanden. Kette und Kinderzeug sind in dem Schlosse gefunden worden. Kommen Sie herauf.«
    »Endlich!« sagte der Fürst, als die Beiden eintraten. »Wir haben uns Ihrer Angelegenheit bemächtigt. Er ist richtig. Der Todte ist Ihr Oheim.«
    »Der Todte? Ist er todt?«
    »Ja. Sie sind der Erbe. Sie sind ein reicher Mann.«
    »Dem Himmel

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