Der verlorne Sohn
ist und jedenfalls auch Sie berührt, Herr Doctor. Ich liebe die Offenheit und Sie sind ein Ehrenmann. Mein Sohn hat mir vorhin mitgetheilt, daß er Ihre Schwester liebt.«
Holm zeigte keine Spur von Ueberraschung. Er nickte leise mit dem Kopfe und sagte:
»Ich weiß es. Natürlich mißbilligen Sie diese Liebe?«
»Ich habe sehr triftige Gründe dazu, es zu thun!«
»Das begreife ich und kann Ihnen gar nicht zürnen. Leider muß ich annehmen, daß seine Liebe erwidert wird.«
»Ah! Was Sie sagen!«
»Ja. Hilda ist – oh, ich bin der Bruder und darf sie nicht loben. Sie braucht vor keiner Dame von tausend Ahnen zurücktreten; aber ich sehe ein, daß diese Neigung aussichtslos ist und so werde ich mich arrangiren. Ich gehe in nächster Zeit mit meiner Braut nach Italien und werde Hilda mitnehmen.«
»Also dieser Liebe wegen?«
»Ja.«
»Sie meinen, daß die Beiden einander vergessen werden?«
»Ich will es wenigstens versuchen. Doch ist Hilda ein so tief gegründetes Gemüth, daß ich bei ihr an diesen Erfolg fast nicht zu glauben wage.«
»Warum ihr also den Schmerz bereiten? Lassen Sie sie doch lieber hier!«
»Hier lassen? Ah, Sie sehen mich erstaunt, gnädiger Herr. Ich denke, Ihnen beweisen zu wollen, daß –«
»Papperlapapp!« wurde er unterbrochen. »Daß Sie brav sind und ein Ehrenmann, das weiß ich. Ich verkehre ja mit Ihrem Vater. Ich habe schon vorher zu meinem Sohne gesagt, daß ich mir keine bessere Schwiegertochter wünschen könne als Fräulein Hilda.«
»Wie? Das hätten Sie gesagt?«
»Ja. Freilich ahnte ich nicht, daß es meinem Jungen in Wirklichkeit einfallen werde, sie zu lieben. Lassen Sie uns aufrichtig sprechen. Ich bin ein Lebemann, aber ein schlechter Rechner gewesen. Ich stehe jetzt vor dem nackten Nichts. Mein Sohn hat davon keine Ahnung gehabt; er hat mich vielmehr für colossal reich gehalten und nach diesem Maßstabe gelebt. Ich war gezwungen, ihm die Augen zu öffnen und ihm zu sagen, daß nur eine reiche Verbindung uns retten könne. Der gute Junge war bereit, uns zu retten; da aber sah er Ihre Schwester, und jetzt theilt er mir mit, daß er lieber hungern werde, als sich einer Anderen verkaufen.«
»Sie werden ihm sehr zürnen!«
»Gar nicht. Ich bin ein ebenso sonderbarer Kauz wie er. Ich habe das Leben genossen; ich bin satt. Ich habe eingesehen, daß es nur das eine Glück giebt, welches er jetzt erstrebt. Er soll glücklich sein. Man mag mir Alles nehmen und mich hier hinausjagen; ich lache darüber. Er wird zwar den Dienst quittiren müssen, aber er ist kein dummer Kerl, eine Anstellung ist ihm zweifellos sicher, wenn auch im Civildienste. Na, dann mag er Ihre Schwester nehmen und ich ziehe zu Ihnen. Wir sind bescheiden und werden nicht verhungern.«
Holm erhob sich von seinem Sitze und schritt erregt im Zimmer auf und ab. Endlich sagte er: »Das ist entweder eine Weltverachtung oder eine Hochherzigkeit, welche ich nicht erwartet habe. Sie sprechen wirklich im Ernste, gnädiger Herr?«
»Vollständig! Ich bin überzeugt, daß Hilda wenigstens gerade so viel werth ist, wie mein morscher Stammbaum, unter dessen Zweigen ich baldigst verhungern würde.«
»Sie würden also Ihr Jawort geben?«
»Unbedingt!«
»Hier meine Hand! Sie zwingen mir eine Hochachtung ab, welche nur Ihnen, nicht aber Ihrem adeligen Namen gilt. Da aber Sie so aufrichtig gegen mich sind, will ich es gegen Sie auch sein. Hilda hat von mir eine Beisteuer zu erwarten, welche sie wohl vor dem Verhungern schützen wird.«
»Ab! Sie werden sie beschenken?«
»Ja.«
»Ich meine, Sie selbst sind arm?«
»Ich hatte mir im Laufe meiner Kunstreisen eine Summe verdient, welche mir verloren ging. Das betreffende Bankhaus hat sich indessen mehr als erholt und mir den Verlust sammt guten Zinsen zurückerstattet. Diese Summe bestimme ich zur Aussteuer meiner Schwester.«
»Aber Sie brauchen es ja selbst!«
»Nein. Meine Braut ist sehr reich, sie besitzt Millionen.«
»Himmeldonnerwetter!«
»Sie sehen, daß ich eine Wenigkeit verschenken kann.«
»Dann allerdings, Sie Glückspilz! Nun, einige tausend Gulden in einer jungen Ehe sind eine große Hilfe.«
»Nicht Gulden, sondern Dollars.«
»Ah!«
»Ja. Ich war Virtuos. Manches Concert brachte mir bis fünftausend Dollars ein.«
»Was Sie da sagen!« meinte der erstaunte Hagenau.
»Darum ist es mir jetzt möglich, meiner Schwester über zweimalhundertausend Dollar mitzugeben.«
Hagenau hatte den Mund weit auf. Erst nach einer langen, langen
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