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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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in frechen Liedern besungen wird. Wollen Sie nicht, daß auch auf Sie Feuer und Schwefel herniederregne, so thun Sie beizeiten Buße im Sacke und in der Asche. Kasteien Sie Ihr Fleisch; werfen Sie die Neigung zum Mammon von sich, und versuchen Sie, ein gerechtes Leben zu führen in Ehren und Gottwohlgefälligkeit. Und fühlen Sie sich zu schwach dazu, so kommen Sie zu mir. Sie sollen in mir den Hirten finden, welcher das räudige Schaf mit der heilenden Salbe der Gnade bestreicht, damit er es wieder versammeln kann zur Heerde der Gerechten und Frommen!«
    Jetzt fand Robert die Sprache wieder. Er hatte den Mann ausreden lassen und wollte nun eine scharfe Entgegnung beginnen. Aber er besann sich eines Besseren und sagte nur: »Herr Seidelmann, haben Sie die Güte, mir zu sagen, wie viel ich zu bezahlen habe.«
    »So ist es recht! Die wahre Frömmigkeit beginnt mit der Erfüllung der berechtigten irdischen Pflichten. Ich werde addiren.«
    »Ich werde nicht nur um die Summe bitten.«
    »Um was noch?«
    »Um die einzelnen Posten.«
    Der Vorsteher blickte ihn ganz erstaunt an.
    »Warum? Wozu?«
    »Sie haben mir meine geistlichen Schulden soeben so ausführlich hergezählt, daß es Ihnen sehr leicht sein muß, mir auch die irdischen, soweit sie den Miethzins betreffen, zu specificiren.«
    »Das kann ich, aber es hat keinen Zweck.«
    »O doch!«
    »Nun, welchen?«
    »Den der Controle.«
    »Was?« brauste der Fromme auf. »Sie wollen mich controliren?«
    »Nein. Aber ich habe als Sohn die Verpflichtung, meinem Vater zu zeigen, wofür ich mein Geld ausgebe. Ich selbst also bin es, welcher controlirt werden soll. Schreiben Sie mir besonders den Namen des Rechtsanwaltes auf, bei welchem Sie die Exmissionsklage fertigen ließen. Sie müssen die Liquidation dieses Herrn in den Händen haben. Geben Sie mir eine mit Ihrer Unterschrift versehene Abschrift davon. Ich werde Alles bezahlen, nur bitte ich Sie, Alles zu unterschreiben!«
    Da stand der Vorsteher von seinem Stuhle auf und rief ihm zu:
    »Mensch! Sünder! Du beleidigst Gott, indem Du seinen Diener lästerst. Eine von mir beglaubigte Abschrift einer weltlichen, einer profanen, einer advocatorischen Liquidation! Das ist Schändung meines Amtes. Die Zunge, welche solche Forderungen stellt, sollte eigentlich verdorren. Bertram, ich sehe ein, daß Sie nie zu bessern sind. Ich gebe Sie verloren für alle Zeit und Ewigkeit; aber ich wasche meine Hände in Unschuld, denn ich habe zu Ihrer Rettung gethan, was ich thun konnte. Ich mag nichts mit Ihnen zu thun und nichts mit Ihnen gemein haben. Ich mag nichts von Ihnen erhalten. Ich schenke Ihnen Alles, Alles, die Buchungskosten, die Quittungsgebühren, die Zinsen der Schuld und sogar die Anwaltskosten. Ich will lieber dieses irdische Opfer bringen, als den kleinsten Denar, den geringsten Obolus mein Eigen nennen, nachdem er sich in Ihrer Hand befunden hat! Aber den Miethzins kann ich Ihnen nicht erlassen, denn der gehört nicht mir, sondern dem Eigenthümer des Hauses.«
    Ueber das hagere Leidensgesicht des Jünglings glitt ein unbeschreibliches Lächeln. Freude, Stolz und Verachtung fanden ihren Ausdruck in demselben. Er sagte in möglichster Ruhe: »Da hat Gott Ihnen einen guten Gedanken eingegeben. Ihre Rechnung wäre in die Hände des Anklägers gekommen. Jetzt weiß ich selbst genau, wie viel ich Ihnen zu bezahlen habe. Hier ist das Geld. Quittiren Sie schnell, damit ich so rasch wie möglich aus Ihrer Seligkeit hier in mein Gomorrha komme!«
    Der Fromme sprach kein Wort weiter. Er steckte das Geld ein, schrieb die Quittung und warf sie ihm hin. Selbst als Robert, bevor er ging, noch grüßte, erhielt er keine Antwort. Er war ja dem Teufel verfallen. Der Frömmler durfte ihn keines Wortes mehr würdigen.
    Als Robert zu Hause ankam, gab es noch immer Thränen, aber sie waren bald gestillt, als er die Quittung vorzeigte und dann bewies, daß er sogar noch Geld übrig habe.
    »Woher aber hast Du denn eine so große Summe erhalten?« fragte sein Vater.
    Er fiel vor Freude in einen fürchterlichen Husten, denn die Erstere griff ihn ebenso an wie die Traurigkeit.
    Robert erzählte es, ließ aber weg, daß er die Kette zum Pfande dort gelassen hatte. Marie erhielt Geld, um Speise und anderes Nothwendige herbei zu schaffen. Er ging mit ihr, um sich in das Haus des Juden zu begeben. Unten auf der Straße meinte sie, indem sie sich selbst zu trösten versuchte: »Glaubst Du, daß es möglich ist, das Oel aus der Stickerei zu

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