Der verlorne Sohn
eines solchen Trankes ungewohnten Körper. Er nahm das Messer zwischen die Zähne und kletterte an der Leiter empor.
Oben angekommen, sah er die heimlich und fast unbewußt Angebetete gefesselt im Bette liegen; an dem Tischchen stand ein fremder, baumstarker, riesenhafter Kerl. Robert erwog in diesem Augenblicke nicht, daß er einem solchen Menschen unmöglich gewachsen sein könne. Er sprang hinein, packte ihn und rief: »Zurück, Bösewicht!«
Er hatte seine Hand erfassen und vom Tischchen zurückziehen wollen, anstatt derselben aber eine Halskette ergriffen. In diesem Augenblicke aber ging die Thür auf, und eine Menge von Polizisten quoll förmlich herein. Der Riese erblickte sie und stieß einen Schrei der Wuth aus. Er sah sich verloren, wenn es ihm nicht gelang, sich durchzuschlagen. Daher zog er den Revolver.
Die Beamten waren ebenso schnell wie er. Zwei warfen sich mit möglichster Eile auf Robert. Dieser stand da, in der Linken die goldene Kette und in der Rechten das Messer. Es hatte ganz den Anschein, als ob er seinen Raub vertheidigen wolle. Der eine Polizist riß den Todtschläger hervor und versetzte ihm einen Hieb, daß er sofort lautlos zusammenbrach.
Nicht so schnell wurde man mit dem Riesen fertig. Er hatte eine wahre Simsonsstärke.
»Kommt her, Ihr Hunde!« brüllte er. »Ihr sollt daran glauben, Alle, Alle mit einander!«
Er trat und schlug um sich, in der Absicht, sich Luft zu schaffen. Aber Vier von ihnen hatten sich an seine Arme gehängt, damit er nicht genau zu zielen vermöge. Zwei Schüsse krachten, trafen aber Keinen. Bormann schäumte vor Wuth. Er kam trotz seiner herkulischen Stärke nicht von der Stelle. Die Zwei, welche soeben mit Robert fertig geworden waren, traten hinzu, und nun war es um ihn geschehen. Er wurde niedergerissen und an Händen und Füßen gefesselt.
»Gott sei Dank! Das war eine Arbeit!« sagte der Anführer. »Nun aber zum gnädigen Fräulein!«
Es wurden ihr die Fesseln und auch der Knebel abgenommen. Unterdessen waren die Bewohner des Hauses wach geworden. Sie kamen voller Angst herbei, durften aber nicht eintreten, die Eltern Fanny’s ausgenommen, denen der Zutritt nicht verweigert werden konnte.
Die junge Dame hatte ihre Besinnung keinen Augenblick verloren. Sie erzählte in ruhiger Weise, was geschehen war.
»Es ist Einer später gekommen als der Andere?« fragte der Beamte.
»Das weiß ich nicht,« antwortete sie. »Ich habe geschlafen. Als ich erwachte, war ich bereits halb gefesselt. Und dann lag ich so, daß ich die vordere Seite des Zimmers nicht überblicken konnte.«
»Kennen Sie diesen jungen Menschen?«
»Nein.«
»Ist er Einem oder dem Anderen bekannt?«
Auch das war nicht der Fall.
Der Riese wußte am Besten, woran er war. Er sah sich verloren. Zwanzig Jahre Zuchthaus waren ihm jetzt gewiß. Von einer weichen Stimmung seines Gemüthes war jetzt keine Rede mehr, vielmehr kochte es in ihm vor Grimm und Wuth über das Fehlschlagen seines Befreiungsplanes. Konnte er noch auf den ›Hauptmann‹ rechnen? Besonders zornig war er auf diesen jungen Menschen, der es gewagt hatte, ihn zu stören. Er gedachte, sich an ihm zu rächen. Jetzt wurde er gefragt:»Sie haben Ihr Gesicht entstellt. Aber Sie geben doch zu, Bormann zu sein, den man den Riesen nennt?«
»Der bin ich,« antwortete er stolz. »Diesen Ehrennamen werde ich niemals verleugnen.«
»Aber Sie waren doch gefangen!«
»Ja, freilich.«
»Wie sind Sie herausgekommen?«
War er unglücklich, brauchten Andere nicht glücklicher zu sein! So dachte er, und darum gab er zur Antwort:
»Der Schließer hat mich herausgelassen.«
»Welcher Schließer?«
»Arnold heißt er.«
»Das ist doch unmöglich!«
»Fragen Sie ihn selbst.«
»Er mußte ja wissen, daß er bestraft wird und außerdem seiner Anstellung verlustig geht!«
»Ich machte ihm weiß, daß ich wiederkommen und mit ihm theilen würde!«
»Das ist sehr unwahrscheinlich, wird aber genau untersucht werden. Wer ist dieser Mensch hier?«
Dabei deutete der Beamte auf Robert.
»Fragen Sie ihn selber!«
»Er war Ihr Helfershelfer? Er hat sich am Einbruche betheiligt?«
»Ja.«
»Wie kommen Sie zu ihm?«
»Das ist meine Sache!«
»Woher haben Sie die Leiter, den Revolver und die anderen Sachen?«
»Die hat mir eben Der hier besorgt.«
»So scheint er trotz seiner Jugend ein ganz und gar durchtriebener Kerl zu sein!«
»Er ist gescheidter und gefährlicher als Ihr Alle!«
»Hm! Sie wollen also nicht sagen, wer er
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