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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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den Kerker, um zu sprechen mit dem Dichter?«
    »Ich werde es erzwingen!«
    Sie that einen Schritt vorwärts. Sie schien fest entschlossen zu sein, ihren Entschluß auszuführen. Ihre Mutter war ganz erschrocken darüber. Sie schlug die Hände zusammen und rief: »Wo denkst Du hin, Tochterleben; werden wir zugeben, daß unser Kind geht in das Gefängniß, wo da sind lauter Verbrecher und Leute, denen man wohl abkauft Uhren, Ringe und Lampen, denen man aber nicht macht einen Besuch an einem solchen Orte!«
    »Laßt mich! Ich gehe doch!«
    Da nahm sie ihr Vater bei den Schultern, setzte sie mit Gewalt auf den Stuhl nieder und fragte:
    »Sage vorher Deinem Vater, was Du willst im Gefängnisse?«
    »Ihn retten!«
    »Du bist ein eigensinniges, ein streitbares Geschöpf! Was Du Dir vorgenommen hast, das thust Du, denn wir haben Dir gelassen zuviel Willen in den Jahren Deiner Kindheit. Aber Du bist auch ein vernünftiges Mädchen und wirst nicht bringen ein Opfer, mit dem nicht verbunden ist ein Profit. Laß uns sprechen offen über diese Sache! Wie willst Du ihn retten?«
    »Indem ich beweise seine Unschuld!«
    »Wie willst Du beweisen seine Unschuld?«
    »Sie steht bereits da in der Zeitung!«
    »Hier? Auf diesem Tageblatt vom Journale der Zeitung?«
    »Ja. Hast Du nicht gelesen, daß der Einbruch ist vorgenommen worden kurz nach der Zeit der Mitternacht?«
    »Das habe ich gelesen.«
    »Nun, als er von mir ging, hatte es bereits Mitternacht geschlagen. Kann er da verübt haben den Einbruch?«
    »Warum nicht? Er kann gemacht haben sehr schnell und rasch.«
    »So schnell geht das nicht. Zu einem solchen Einbruche sind sehr viele Vorbereitungen zu treffen.«
    »Die hat der Riese Bormann getroffen oder –«
    Er hielt inne. Sein Gesicht drückte Bestürzung aus.
    »Was ist Dir; was hast Du, Salomonleben?« fragte die Alte.
    »Es fällt mir da Einer ein, Rebecca,« antwortete er, »an den wir hierbei gar nicht gedacht haben.«
    »Wer?«
    »Der Hauptmann.«
    »Der Hauptmann? Gott unserer Väter! Es ist ja wahr!«
    »Ja,« nickte der Jude. »Der Hauptmann ist es ja, welcher befohlen und vorbereitet hat diesen Einbruch, um zu machen dem Riesen ein rothes Maal und ihn zu retten.«
    »Was geht das mich an!« meinte Judith.
    »Dich? Sehr viel, sehr viel! Haben wir nicht genommen eine große Summe Geldes, um ihm beizustehen bei diesem Plane?«
    »Aber Bertram darf dabei nicht unglücklich werden!«
    »Wer sagt denn, daß er wird werden unglücklich? Willst Du nicht sein gut und verständig, mein Tochterleben? Dein Vater ist klug. Er wird Dir sagen, wie Du Dir zu überlegen hast diese Sache. Entweder ist der Bertram mit beim Hauptmanne, oder er ist unschuldig –«
    »Er ist unschuldig!« behauptete Judith.
    »Sei ruhig. Laß uns überlegen! Also, entweder er ist mit beim Hauptmanne; dann hat der Hauptmann seine Absicht mit ihm, und wir dürfen nicht stören. In diesem Falle aber ist der Bertram ein Dieb, und er soll nicht werden mein Schwiegersohn!«
    »Aber ich sage ja, daß er unschuldig ist!«
    »Kannst Du darauf schwören einen Eid?«
    »Ja, zehn!« antwortete sie voll zuversichtlicher Ueberzeugung.
    »Nicht einen einzigen! Du hast ihn gesehen erst ein einziges Mal! Du mußt ihn erst länger kennen lernen. Aber, selbst wenn er ist unschuldig, so hat der Hauptmann mit ihm eine Absicht, und wir müssen es gehen lassen, wie es ist!«
    »Ihn verderben lassen! Nimmermehr!«
    »Tochter, Tochter!« warnte der Alte. »Habe ich gesagt, daß wir ihn wollen verderben lassen? Nein. Er ist ein großer Dichter, und wenn er ist unschuldig, so soll er nicht rennen und laufen in das Unglück. Aber auch wir wollen uns nicht stürzen in Angst und Sorgen. Wenn er ist unschuldig, so werden wir warten eine kurze Zeit. Wird er dann noch nicht gelassen aus dem Kerker heraus, so werden wir hingehen und beweisen, daß er ist gewesen bei uns an diesem Abende. Vor allen Dingen müssen wir abwarten einen Besuch des Hauptmannes, um zu erfahren, ob er uns erlaubt zu retten den Dichter der Wüstenbilder.«
    »Und wenn er es uns nicht erlaubt, sollen wir da den Unschuldigen verurtheilen lassen?« fragte Judith.
    »Nein. Dann werde ich zu Dir sagen: Judithleben, gehe hin und sage, daß er unschuldig ist.«
    »Und bis dahin soll er also schmachten?«
    »Es wird sein nur einige Tage. Mancher wird eingesteckt und bald wieder freigelassen, weil er ist ohne Schuld. Warum willst Du Dich zanken mit dem Gericht, wenn das Gericht ihn wird freigeben ganz von selbst? Warum

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