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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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meine Judith, welche hat ein zu weiches Herze und darum giebt hinaus das Geld, ohne zu fragen ob es auch wieder kommt herein!«
    »Geld? Ah, handelt es sich nur um Geld? Ich hätte viel, viel Schlimmeres gedacht!«
    Salomon Levi schlug die Hände sammt dem Zeitungsblatte über dem Kopfe zusammen und rief:
    »Geld? Nur Geld? Ist Geld wirklich nur Geld? Nein! Geld ist Capital, ist Reichthum, ist Größe, ist Glück, ist Seligkeit. Man kann nur dann sein ein Mensch, wenn man hat Geld, viel Geld. Man darf es nicht hinausgeben mit Leichtsinn. Du aber hast dies gethan und wirst es verlieren, das ganze, ganze Geld!«
    »Verlieren? Ich? Wieso? Ich habe keinem Menschen Geld gegeben, welches ich verlieren könnte!«
    »Nicht? Hast Du nicht gegeben eine große Summe für eine Halskette von Gold? Hast Du das nicht gethan?«
    »Du meinst an Bertram, den Dichter der Wüstenbilder?«
    »Ja.«
    »O, das kann und werde ich nicht verlieren.«
    »Täusche Dich nicht, Judith! Dieses Geld ist verloren!«
    »Auf keinen Fall. Ich habe ja die Kette und auch noch die Schuldverschreibung.«
    »Wie nun, wenn diese Kette ist geraubt oder gestohlen?«
    Sie blickte ihn überrascht an.
    »Wo denkst Du hin! Ein Dichter kann nicht stehlen.«
    »Nicht? Kann er nicht? Wirklich nicht? Aber wenn er nun nicht nur stiehlt, sondern sogar einbricht?«
    »Vaterleben, Du bist krank! Robert Bertram soll eingebrochen sein, soll geraubt haben?«
    »Ich werde es Dir beweisen! Du sagst selbst, daß sein Name lautet Robert und Bertram?«
    »Ja.«
    »Er hat gesagt, daß er wohnt in der Wasserstraße hier?«
    »Ja, Nummer Elf.«
    »Und er hat auch gesagt, daß er ist Schreiber, um abzuschreiben anderen Leuten für Geld?«
    »Das hat er gesagt. Ist das eine Schande für ihn?«
    »Nein. Aber das ist eine Schande für ihn, wenn hier auf dem Tagesblatt von der Zeitung ist zu lesen von ihm: ›Es ist nun dem Bemühen der Behörde gelungen, die Persönlichkeit des mit dem Riesen Bormann ergriffenen Einbrechers festzustellen.‹ Ist das keine Schande?«
    »Für ihn doch nicht!«
    »Nicht? Da steht weiter: ›Der noch sehr junge Mensch heißt Robert Bertram, hat sich scheinbar mit Abschreibereien beschäftigt und ist der Sohn eines schwindsüchtigen Schneiders in der Wasserstraße Nummer Elf.‹ Ist das nicht eine grausige Schande?«
    Sie war leichenblaß geworden.
    »Herr Sabaoth!« rief sie. »Das steht dort?«
    »Ja, hier!«
    »So, grad so steht es dort?«
    »Grad so!«
    »Das ist unmöglich! Er kann es nicht sein! Man meint einen Anderen! Ich glaube es nicht.«
    »So siehe es Dir an mit Deinen eigenen Augen!«
    Er hielt ihr das Blatt entgegen, und sie ergriff es. Es war ihr so eigenthümlich zu Muthe, ganz so, als ob man sie selbst beschuldigt hätte. Sie las, aber die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen.
    »Nun, steht es dort?« fragte Salomon Levi.
    »Ja, es steht dort!« bestätigte seine Frau. »Ich habe es auch schon gelesen, mit meinen Augen, mit meinen eigenen, und dazu habe ich aufgesetzt die Brille, welche wir heute haben abgekauft dem Studenten für einen Gulden vierzig Kreuzer, weil das Gestelle ist von gelbem Golde.«
    Judith war ein willensstarkes, kräftiges Mädchen. Der Schreck hatte sie überrascht. Jetzt beherrschte sie sich. Sie zwang sich zur Ruhe. Sie hielt das Blatt nun ohne das leiseste Zittern in der Hand und las, las von Anfang bis zu Ende, vom ersten Worte an bis zum letzten.
    »Nun, habe ich richtig gesprochen?« fragte der Vater.
    Da legte sie das Blatt auf den Tisch, griff nach einem Tuche, welches zur Hand lag und antwortete ruhig: »Ich werde Euch beweisen, daß er unschuldig ist!«
    Sie warf das Tuch über; ihr Vater aber ergriff sie beim Arme und sagte, sie erschrocken betrachtend:
    »Was willst Du thun, meine Tochter? Ich glaube gar, Du willst verlassen dieses Haus, um zu gehen auf die Straße!«
    »Ja, das will ich!« antwortete sie kalt.
    »Und wohin willst Du gehen?«
    »Nach der Nummer Elf.«
    »Dorthin? Zu wem, Judithleben?«
    »Zu ihm, zu Robert!«
    »Zu ihm? Zu Robert? Zu dem Dichter? Glaubst Du denn wirklich, daß Du ihn finden wirst in dem Hause auf unserer Straße, über dessen Thür steht geschrieben die Nummer Elf?«
    »Warum nicht?«
    »Hast Du nicht gehört, daß er sitzt gefangen im Kerker, wo da sind die Spitzbuben, Einbrecher und ertappte Pfandleiher?«
    »So gehe ich dorthin!«
    »Gott Abrahams! Bist Du denn geschlagen mit Blindheit auf den Augen und auch im Verstande? Denkst Du denn, daß man Dich wird einlassen in

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