Der verlorne Sohn
sollen erfahren die Leute, daß Du ihn hast lieb und daß er gewesen ist bei Dir in Deinem Zimmer, um zu lesen Gedichte und zu essen Allerlei mit Knoblauch?«
»Ich brauche mich nicht zu schämen. Er ist ein großer Dichter und ein Edelmann, sobald er seinen Vater findet.«
»Ich will es hoffen! Dann wirst Du die Frau eines großen Dichters, der da heißt Robert Bertram, anstatt Wolf von Geheimrath Göthe oder Friedrich von Professor Schiller, und ich und Rebecchen werden sein die Schwiegereltern eines Edelmannes, welcher sich kann legitimiren durch eine goldene Kette um den Hals, als er noch war ein Kind. Dann werden sie uns hauen in Stein, den Buchstaben zu zwanzig Kreuzer. Aber wir müssen klug sein und jetzt noch keinem Menschen ein Wort sagen von der Kette um den Hals, sonst kommen andere Mädchen, um zu werden die Frau eines Dichters, und andere Väter und Mütter, um zu sein die Schwiegerleute eines Mannes vom verlorenen und wiedergefundenen Adel. Also, sei still, Judithleben! Laß und noch warten einige Tage, bis wir können sehen klar in dieser Angelegenheit!« –Der zweite Ort, an welchem die erwähnte Zeitungsnotiz mehr als anderswo beachtet wurde, lag in der Palaststraße.
Dort, in dem großen Palais des Fürsten von Befour, in einem fast kaiserlich ausgestatteten Zimmer, saß – Gustav Brandt der Försterssohn.
Ja, Gustav Brandt war es, der da am Fenster saß, vor sich ein Tischchen mit fein gearbeiteter Elfenbeinplatte, auf welchem ein ganzer Stoß Zeitungen lag. Er war sofort wieder zu erkennen. Das vollständig glatt rasirte Gesicht war ganz das alte. Kaum sah man es ihm an, daß zwanzig Jahre vergangen waren, seit dem Tage, an welchem er als verkleideter Flüchtling seinem ›Sonnen strahle‹ im Walde von Helfenstein die Hand geküßt hatte. Nur reifer waren die Züge geworden, reifer, ausgesprochener und vornehmer.
Es lag Etwas in diesem schön ausgearbeiteten, durchgeistigten Gesichte, was dem Profanen die Annäherung durchaus und absolut verweigerte, obgleich man nicht sagen konnte, was es war.
Auf dem kostbaren Divan, gar nicht weit entfernt, saß jenes schöne, ehrwürdige Ehepaar, welches, in dem kleinen Häuschen der parallelen Siegesstraße wohnend, dem Schlosser den Ort gesagt hatte, wo der Fürst des Elendes unter dem Namen eines Kunstmalers Brenner zu finden sei. Diese beiden Leute waren Gustavs Eltern, der alte Förster Brandt und seine Frau.
Diese drei schienen in einem animirten Gespräch begriffen zu sein, denn soeben sagte der alte Förster: »Ja, damals, als Du von uns schiedest, dachten wir wohl, daß Du einst zurückkehren würdest, nicht aber als ein solcher Fürst und Krösus.«
»Pah!« antwortete Gustav. »Ich wollte als ein Gerechtfertigter wiederkehren, das ist besser als aller Reichthum!«
»Klage nicht, mein Lieber! Du bist ja bereits unserem Wilde auf der Fährte!«
»Ja, wir wollen hoffen, daß es zum Schusse kommt.«
»Du denkst also wirklich, daß Baron Franz der Mörder ist?«
»Ich denke es nicht nur, sondern ich bin überzeugt.«
»Und daß er auch der Hauptmann ist?«
»Jedenfalls.«
»So ist es auch möglich, daß er und kein Anderer unter dem Waldkönige zu verstehen ist.«
»Fast möchte ich auch das behaupten; jedenfalls aber werde ich es nächstens untersuchen.«
»Nimm Dich nur in Acht! Wenn er Dich erwischt und erkennt, so bist Du ohne Gnade und Barmherzigkeit verloren.«
»Pah! Er, und mich erkennen! Hat er mich bisher erkannt?«
»Allerdings noch nicht.«
»Hat Baronesse Alma mich erkannt?«
»Auch nicht, was mich eigentlich wundert.«
»Euch wundert? Habt Ihr mich erkannt?«
»Ja, das ist wahr. Höre, Alte, ist das nicht wirklich ein blaues Mirakel, daß unser Sohn sechs Wochen, sechs volle Wochen bei uns hat wohnen können, ohne daß wir eine Ahnung hatten, wer er war?«
Die Försterin neigte lächelnd den Kopf.
»Wunderbar ist’s freilich,« meinte sie. »Diese Farben, diese Haare und Bärte, das Alles ist ja geradezu meisterhaft! Freilich hat mir während dieser sechs Wochen die Stimme Gustav’s oft und viel zu schaffen gemacht, die Stimme und die Augen.«
»Auch da läßt sich nachhelfen,« lachte Gustav. »Was nun die Bärte und Perrücken betrifft, so ist es kein Wunder, daß sie so täuschend wirken. Sie sind ja nicht nachgemacht, sondern wirklichen Menschen vom Kopfe und vom Gesicht gezogen und dann präparirt worden. Da läßt sich das Alles leicht erklären.«
»Prr! Scalpirt!« schüttelte sich die
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