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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bestohlen werden sollst?«
    »Ist dieser Gedanke so unbegreiflich? Bin ich nicht als der reichste Mann der Residenz oder gar des ganzen Landes bekannt?«
    »Das ist wahr. Wenn also der ›Hauptmann‹ gewisse Absichten hat, so ist das zu begreifen, aber seine Frau – hm!«
    »Ich weiß nicht, ob sie der Versuchung wird widerstehen können.«
    »Du willst sie in Versuchung führen?«
    »Ja.«
    »Aus welchem Grunde?«
    »Darüber später! Uebrigens, daß der ›Hauptmann‹ Absichten hat, das weiß ich genau. Es giebt da unten am Flusse einen alten, verkommenen Apotheker, welcher verschiedener Fehler wegen die Concession verloren hat. Er darf nicht mehr dispensiren und –«
    »Ah, der alte Medikaster, welcher auch den Viehdoctor macht?«
    »Ja. Als kürzlich der Rappe lahmte und das Mittel des Thierarztes nicht sofort anschlug, ist der Kutscher ohne mein Wissen zu diesem Winkelapotheker gegangen, und das Mittel desselben hat schnell gewirkt. Der Kutscher –«
    »Hm, auch ein Polizist!«
    »Natürlich! Er hat bei dem Apotheker so etwas wie Wildpret, nämlich menschliches, gerochen, und ist öfters zu ihm gegangen, hat auch später unseren Adolf mitgenommen –«
    »Das ist erst der richtige Tausendsassa!«
    »Ja, ausgezeichnet ist er, der reine Spürhund! Dieser nun hat mir verschiedene Mittheilungen gemacht, welche ich nun auszunutzen entschlossen bin.«
    Er ergriff die Glocke abermals und schellte dreimal, während er dies vorhin nur einmal gethan hatte. Nach kurzer Zeit trat ein anderer Diener ein. Er war kurz und dick gebaut, sah recht behäbig und behaglich aus und schien kein Wässerchen trüben zu können. Wer ihn genauer ansah, bemerkte vielleicht an den hervorgezogenen Augäpfeln, daß dieser Diener gewohnt sei, eine scharfe Brille zu tragen. In seiner jetzigen Stellung aber schien ihm das nicht erlaubt oder gerathen zu sein.
    »Adolf!«
    »Gnädiger Herr!«
    Diese beiden Worte hatten einen so knappen, exacten Ton, als befände sich der Mann als Offizier vor seinem General. Das hätte man von seiner legeren Behaglichkeit kaum erwartet.
    »Weiter gehorcht?«
    »Ja.«
    »Etwas gehört?«
    »So ziemlich.«
    »Wichtiges?«
    »Wie man es dreht und faßt. Ich habe dem Alten weiß gemacht, daß ich mit Ihnen nicht verkommen kann.«
    »Ah!« lachte Gustav. »Warum nicht?«
    »Sie sind zu stolz, zu knickerig, zu anspruchsvoll! Sie halten einen Diener nicht für einen Menschen! Uebrigens will ich heirathen, und Sie dulden das nicht!«
    »Das ist ja eine ganze Litanei! Gehst Du wieder hin?«
    »In einer Viertelstunde.«
    »Wovon unterhaltet Ihr Euch?«
    »Daß ich Ihnen heute früh aufgesagt habe.«
    »Sapperment!«
    »Und daß Sie mir den Lohn verweigern!«
    »Noch besser!«
    »Ich muß mit dem Kutscher schlafen!«
    »Schlingel!«
    »Ich möchte mit allen vier Fäusten drein schlagen!«
    »Schön! Ich werde Dir möglichst aus dem Wege gehen!«
    »Sie haben mir sogar mit einer Ohrfeige gedroht!«
    »Das ist kühn!«
    »Ja, wir sind so zusammengerathen, daß ich das Leben hier satt habe. Ich halte es nicht länger mehr aus!«
    »So gehe fort und heirathe! Wer ist sie denn eigentlich?«
    Adolf zog ein Gesicht, als ob er eine Bürste verschlingen müsse, und antwortete dann mit Nachdruck:
    »Die – die – Jet – Jette!«
    »Die Jette? Was für eine Göttin ist das?«
    »Drei und einen halben Fuß lang, zwei Fuß in den Achseln, dünn wie eine Fensterscheibe und Arme wie ein Paar Windmühlenflügel!«
    »Eine wahre Venus! Keinen Kropf?«
    »Nein, aber sie geht lahm!«
    »Doch wenigstens ein Ersatz für den fehlenden Kropf! Wessen Tochter ist denn diese Holde?«
    »Sie ist die einzige Tochter des Apothekers, vier andere Töchter nicht mitgerechnet, die aber noch nicht verheirathet sind.«
    Brandt lachte fröhlich auf.
    »Aber die Jette ist verheirathet?«
    »Sie war es. Jetzt ist sie Wittwe nebst Mutter von drei Kindern. Ich habe mir vorgenommen, der Waisenvater von allen Vieren zu sein.«
    »Hast Du bereits mit dem Alten gesprochen?«
    »Nein.«
    »Aber mit der Jette?«
    »Auch noch nicht; aber sie erwarten aller Minuten, daß ich losplatze. Der Sieg ist mir gewiß. Ich soll mit der Witwe und meinen drei Stiefkindern von ihrer Seite in die Oberstube ziehen. Eine Bodenkammer und die Hälfte Keller bekomme ich auch.«
    Das hatte der verkappte Polizist mit der ernstesten Würde vorgetragen. Dann fuhr er fort:
    »Und weil ich hier mich nicht wohlfühlen kann und dort ein solches Glück finde, so ist es leicht begreiflich,

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