Der verlorne Sohn
daß ich mir das Bessere erwähle. Wer rasch handelt, handelt gut; ich werde also sehen, ob die Gelegenheit heute günstig ist.«
Da machte Brandt ein ernstes Gesicht und fragte:
»Aber, Adolf, daß wir uns nicht etwa später Vorwürfe machen müssen! Ich liebe es nicht, mit Menschenherzen zu spielen!«
Aus dem Auge des Dieners brach ein scharfer Blitz. Es war fast der Blick eines Hundes, der sich auf einen Wolf stürzt.
»Der gnädige Herr haben Recht, sehr Recht,« sagte er, »aber wie nun, wenn der Mensch sich sein Herz aus dem Leibe gerissen hat, um seine Mitbrüder nach Lust quälen zu können und ihre Schmerzen nicht mitzufühlen? Solche Menschen giebt es. Sie gleichen dem Raubzeuge und müssen vertilgt werden, ohne Rücksicht, mit allen Mitteln, auf jede Art und Weise, mit List und mit Gewalt! Ich bin ein Polizist, das heißt ein Spürhund, ein Wächter von Beruf. Kommt mir ein Raubthier in den Weg, ein Iltis, ein Wiesel, ein Marder, ein Fuchs, ein Wolf, ich werfe mich auf ihn und frage nicht, ob es ihm weh thut.«
»Ja, das ist die rechte Art und Weise, das Haus seines Herrn zu beschützen. Wirst Du mir Neues bringen?«
»Ich hoffe es!«
»Dann gut für jetzt!«
Er entließ den Diener, und dieser ging.
Einige Zeit vorher hatte sich die bereits erwähnte hintere Thür am Palais des Barons von Helfenstein geöffnet, und es war ein Mann heraus getreten, welcher rothes Haar, einen rothen Vollbart und dazu eine blaue Schutzbrille trug. Seine Kleidung war nicht im Geringsten elegant, aber auch nicht grad schäbig zu nennen. Er trug sich wie Einer, der bessere Tage gesehen hat und davon die Erinnerung noch im Gewand an seinem Leibe trägt.
Er verschloß die Thüre, steckte den Schlüssel ein und wendete sich dem Flusse zu, und zwar demjenigen Theile desselben, an welchem die Armuth ihre Hütten aufgeschlagen hat. Dort betrat er ein kleines, einstöckiges Häuschen und klopfte an die wackelige Thür des Hinterstübchens.
Es regte sich nichts. Er klopfte abermals, und zwar jetzt auf eine eigenthümliche Weise, die fast wie ein Erkennungszeichen klang. Sofort regte sichs im Innern.
»Gleich!« gröhlte eine tiefe Baßstimme.
Die Thür wurde geöffnet. Ein langer, riesenhaft stark gebauter Mann blickte heraus. Sein Gesicht war wohl weniger ein verschlafenes, als ein versoffenes. Er sagte: »Wer sind Sie? Ich kenne Sie nicht!«
Der Rothe fuhr sich mit der Hand nach dem rechten Auge, als ob er dasselbe auswischen wolle.
»Ach so!« meinte der Riese, jetzt in bedeutend freundlicherem Tone. »Ein Eingeweihter! Kommen Sie herein!«
Er ließ den Andern eintreten und schloß dann die Thür hinter ihm zu, indem er auf einen Schemel deutete: »Setzen Sie sich!«
Dieser Schemel, ein alter Tisch und ein noch älterer Stuhl, nebst einem Strohbunde in der Ecke, das war das ganze Ameublement des armseligen Raumes. Der Rothe nahm auf dem Schemel Platz und deutete nach dem Tische, auf welchem eine fast ganz geleerte Schnapsflasche stand.
»So fleißig beschäftigt?«
»Fleißig? Woher soll die Arbeit kommen? Es ist ja kein einziger Tropfen mehr drin?«
Damit nahm er die Flasche und leerte den Rest mit einem Zuge. Der Rothe lächelte und sagte:
»So müssen Sie wieder füllen!«
»Wovon?« lachte der Andere höhnisch.
»Sind Sie so sehr ausgebrannt?«
»Vollständig!«
»Wo ist Ihre Frau?«
»Betteln. Aber sie ist seit vier Tagen nicht nach Hause gekommen. Sie lebt in Florio da draußen herum; ich aber sitze hier und verdurste, indem ich auf sie warte. Wenn sie kommt, so schlage ich ihr die Knochen entzwei!«
»Giebt es denn keine Arbeit?«
»Arbeit?« fuhr der Riese auf. »Wollen Sie mich beleidigen?«
»Fällt mir gar nicht ein!«
»So kennen Sie mich nicht!«
»Sehr gut sogar!«
»So? Nun, wer bin ich denn?«
»Der Tausendkünstler Bormann!«
»Hol’s der Teufel, er kennt mich! Wer sind denn Sie?«
»Das ist Nebensache. Der Hauptmann sendet mich.«
»Donnerwetter! Ist’s wahr?«
»Ja.«
»Da hat die Noth ein Ende; da regnet es Geld!«
»Gemach, gemach!«
»Etwa nicht, he? Da können Sie nur wieder gehen! Wer zu mir kommt, muß Geld haben, um bezahlen zu können.«
»Wenn er Etwas von Ihnen verlangt!«
»Sie verlangen wohl nichts? So verschwinden Sie schleunigst! Ich lasse mich nicht ungestraft nutzloser Weise stören!«
Der Andere nickte ihm behaglich zu, griff in die Tasche und klimperte mit dem darin befindlichen Gelde.
»Alle Teufel!« rief Bormann. »Das hat einen verdammt guten
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