Der verlorne Sohn
gnädige Frau!« sagte er im Tone des Bedauerns und der Entschuldigung.
»O bitte, ich fand hier einen Modeartikel, dessen Inhalt mich lebhaft interessirte,« antwortete sie.
»So darf ich also auf Ihre Verzeihung rechnen?«
»Von einer Verzeihung kann keine Rede sein. Sie haben ja gethan, was Sie thun mußten!«
Es entspann sich nun eine Unterhaltung, welche mit fieberhafter Lebhaftigkeit von Seiten der Baronin geführt wurde. Der Fürst war vom Diener noch nicht benachrichtigt worden; aber er beobachtete die schöne Frau und sagte sich: »Sie ist erregt; sie giebt sich auffällige Mühe, mich zu fesseln, damit ich ja nicht auf den Gedanken komme, abermals in den Schrank zu gehen. Sie hat es gethan und ich habe gewonnen!«
Da trat Adolf ein und präsentirte auf einem silbernen Teller einen Brief.
»Von wem?« fragte der Fürst. »So spät am Tage correspondirt man doch nicht mehr.«
»Der Kutscher übergab mir das Schreiben. Ein Livréediener, den er nicht kannte, bittet um Antwort.«
Der Fürst öffnete das Couvert. Das inliegende Blatt enthielt die von Adolf geschriebenen Zeilen:
»Sie hat die zwei Beutel mit den Steinen genommen, sie stecken in ihrer Tasche.«
»Die Nachricht ist erfreulich,« nickte der Fürst. »Da muß ich mich allerdings zu einer Antwort bequemen.«
Er nahm eine Karte und schrieb darauf:
»Nimm dann, wenn die Baronin heimkehrt, heimlich die Maske Nummer Zwei mit auf Deinen Tritt.«
Er steckte die Karte in ein Couvert, adressirte scheinbar, gab das Couvert an den Diener und sagte:
»Laß dem Ueberbringer ein Glas Wein geben! Und meine Empfehlung an seine Excellenz!«
Damit war die Sache abgemacht. Der Diener entfernte sich, und die Unterhaltung zwischen den Beiden begann von Neuem, wurde aber von Seiten des Fürsten mit Absicht so flau geführt, daß die Baronin die Gelegenheit ergriff, zu sagen: »Ich finde, daß Sie heut ein wenig angegriffen sind.«
»Ich hatte während der ganzen Nacht zu schreiben,« antwortete er rücksichtslos.
»So bedürfen Sie der Ruhe.«
Sie erhob sich bei diesen Worten.
»O bitte, meine Gnädige. Ich fühle nicht das mindeste Bedürfniß darnach. Ihre Gegenwart ist das Einzige, was ich mir wünsche.«
Sie schlug ihn scherzhaft mit der Hand auf den Mund und antwortete:
»Schmeichler! Ich werde Sie nun grad damit bestrafen, daß ich mich verabschiede. Wann werde ich Sie bei mir sehen?«
»Morgen gewiß!«
»Schön! Ich werde Sie mit Sehnsucht erwarten.«
Sie reichte ihm die Hand. Er ergriff dieselbe, sagte aber:
»Schon jetzt uns verabschieden? Wollen Sie grausam sein?«
»Grausam? Wieso?«
»Ich hatte geglaubt, Sie begleiten zu dürfen.«
»Ah, das ist mir angenehm! Also kommen Sie!«
Er selbst legte ihr im Vorzimmer den Pelz um die schönen, vollen Schultern. Auch der seinige hing da. Er zog ihn an und begleitete sie vor das Thor, wo die Equipage ihrer wartete. Adolf stand dabei. Er öffnete und schloß den Schlag und sprang dann hinten auf. Erst nun, da die Equipage sich in Bewegung setzte, fühlte sich die Baronin sicher. Sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und legte sich dann behaglich in die Kissen zurück.
An ihrem Palais angekommen, half ihr der Fürst in eigner Person beim Aussteigen und verabschiedete sich dann mit größter Höflichkeit von ihr.
»Die Maske da?« fragte er den Diener, als die Baronin verschwunden war.
»Ja.«
»Her damit. Ganz langsam zurückfahren!«
Die Equipage hatte kaum die Ecke der nächsten Straße erreicht, so ertönte aus ihr ein lautes Halt. Es stieg ein alter, grauköpfiger und graubärtiger Herr aus, den gewiß niemand für den Fürsten gehalten hätte.
»Adolf, räume sofort den Juwelenschrank aus,« gebot er, »und stelle die neue Bibliothek hinein. Bis Ihr mich braucht, werde ich zurückgekehrt sein.«
Der Pelz und Hut blieb im Wagen zurück, der sich nun in Bewegung setzte. Der Fürst hatte jetzt eine Mütze auf.
Er ging nach dem Palais des Barons zurück. In der Nähe desselben gab es einen großen, monumentalen Brunnen mit einer riesigen Neptunsfigur. An der Umfassungsmauer dieses Bauwerkes nahm der Fürst Posto. Er stand im Schatten, so daß er nicht leicht bemerkt zu werden vermochte, und konnte die ganze Front des Palais’ überblicken.
Als die Baronin ihre Gemächer erreichte, war sie so mit sich beschäftigt, daß sie gar nicht bemerkte, daß ihr die Zofe mit einer gewissen verlegenen Eile entgegentrat.
»Der Baron anwesend?« fragte sie.
»Ja, gnädige Frau. Er hat
Weitere Kostenlose Bücher