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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Posto faßte, um die Pforte zu beobachten.
    Er hatte noch nicht lange dagestanden, als er drüben ein leises Geräusch vernahm. Die Pforte öffnete sich und wurde wieder zugemacht. Die Gestalt eines Mannes war zu sehen, der erst zu lauschen schien, dann aber sich rasch entfernte.
    Auch der Fürst setzte sich sofort in Bewegung. Er folgte der Gestalt, sich stets im Schatten haltend, so daß er nicht bemerkt werden konnte. Er nahm sich sehr in Acht, sie nicht aus den Augen zu verlieren, und er war auch wirklich so glücklich, die Thür zu erspähen, hinter welcher sie verschwand.
    Das war in der Wasserstraße bei dem Juden Salomon Levi.
    Die Thür war verschlossen, wie immer. Die Baronin hatte also klopfen müssen, bis die Nase der alten Rebecca sich sehen ließ.
    »Wer ist da?« fragte sie durch die Thürspalte.
    »Ein Käufer,« antwortete Ella, indem sie sich bestrebte, ihrer Stimme einen männlichen Klang zu geben.
    »So spät wird nichts verkauft!«
    »Still, Rebecca! Ihr werdet doch ein Geschäft mit mir machen, und zwar ein sehr gutes!«
    »Wie?« fragte die Alte. »Der Herr kennt mich? Er nennt mich bei meinem Namen Rebecca? Er spricht von einem Geschäfte, welches werden wird sehr gut?«
    »Ja. Ist Salomon Levi zu Hause?«
    »Er ist daheim, um zu flicken alte Gewänder, welche er hat gekauft mit Löchern und aufgegangenen Nähten.«
    »So mache auf. Ich muß zu ihm!«
    »Haben Sie die Gewogenheit, zu treten herein! Ich werde Sie bringen zu meinem Manne in sein Comptoir.«
    Die Alte führte den scheinbar jungen Herrn zu dem Juden, welcher sich in dem zweiten Raume befand, demselben, in welchem Judith in Robert Bertram den Dichter erkannt hatte.
    Salomon Levi war verwundert, zu so später Stunde noch Jemand bei sich zu sehen.
    »Was verschafft mir die Ehre?« fragte er neugierig.
    »Ich will allein mit Ihnen sein,« antwortete die Baronin, indem sie sich möglichst im Schatten hielt.
    »Rebeccchen, gehe, Dich zu entfernen, bis ich rufe, damit Du wiederkommst, um zurückzukehren!«
    Die Alte ging. Da langte die Baronin in die Tasche, zog den Stein hervor, reichte ihn dem Juden hin und fragte: »Was ist das?«
    Er nahm den Stein in die Hand und hielt ihn an das Licht, um ihn zu betrachten. Erst schüttelte er den Kopfe; dann setzte er eine schärfere Brille auf und trat mit dem Lichte in eine Ecke, wo er, der Baronin den Rücken zukehrend, irgendwelche Manipulation vornahm, von der sie aber nichts sehen konnte. Als er dann wieder herbeitrat, hatte sein Gesicht einen ganz anderen Ausdruck bekommen. Er hustete einige Male und sagte dann: »Was wird es sein? Ein Stein, welchen man nennt Jaspis oder Achat, werth in höchsten Fällen zehn bis fünfzehn Kreuzer.«
    »So gieb wieder her, Alter! Es giebt Leute, welche viel bessere Kenner sind als Du!«
    Er fuhr zurück und sagte:
    »Soll es etwa sein kein Jaspis oder Achat? Wird es sein etwa Karneolenstein oder Bergkrystall?«
    »Mache Dich nicht lächerlich! Ich will wissen, welchen Werth der Stein hat. Ich habe keine Zeit, mich von Dir foppen zu lassen!«
    »Gott Abrahams, ist der Herr rasch und von großer Hitze! Wissen Sie denn, was es ist für ein Steinchen?«
    »Ein Diamant!«
    Da streckte der Jude beide Hände in die Luft und rief:
    »Soll mich leben lassen Jehova, bis ich sterbe! Demant soll es sein? Ein Demantstein? Wie ist das möglich? Will der Herr aus mir machen einen Narren für sein Vergnügen?«
    »Unsinn! Willst Du ehrlich sein oder nicht? Du denkst, ich kenne Dich nicht! Hier, lies!«
    Sie zog ein Papier aus der Tasche und reichte es ihm hin. Er warf einen Blick darauf, und dieser einzige genügte.
    »Die geheime Schrift! Gott Jakob’s! So ist der Herr am Ende gar ein – ein – ein –«
    »Nun, wer?«
    »Ein Bekannter des Hauptmannes?«
    »Ja, das bin ich! Also, nun weißt Du, mit wem Du es zu thun hast, und sei jetzt ehrlich! Was für ein Stein ist es?«
    »Ein Demant, ja ein Demantstein!«
    »Wie viel werth?«
    »Dieser Stein wird kosten zu schleifen ein großes Geld!«
    »Sapperment! Ich habe Dich nicht gefragt, was er zu schleifen kostet, sondern welchen Werth er jetzt hat!«
    »So will ich sagen, daß der Stein ist werth für den Kenner die Summe von sechstausend Gulden.«
    »Zeige einmal!«
    Sie that, als ob sie den Stein nur betrachten wolle. Er gab ihn ihr zurück, während seine matten Augen vor Habgier leuchteten. Sie aber steckte den Diamant ein und sagte: »Du bist nicht werth, daß man Dir den geringsten Vortheil zuwendet, alter

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