Der verlorne Sohn
Schacherer! Gute Nacht!«
Sie drehte sich um, sich zu entfernen; aber da hatte er auch bereits ihren Arm erfaßt und rief:
»Halt! Warum wollen Sie fort? Warum wollen Sie sagen gute Nacht, da doch ein gutes Geschäft viel besser ist, als eine gute Nacht! Bleiben Sie bei mir noch eine kleine Weile!«
»Wozu? Du bist unverschämt!«
»Ich werde sagen ganz aufrichtig den Werth des Steines. Zeigen Sie ihn mir her noch einmal!«
»Nein. Er bleibt in meiner Tasche. Du hast ihn gesehen und auch geprüft. Willst Du ihn kaufen?«
»Wenn der Herr will annehmen Verstand, so werde ich vielleicht kaufen den Demantstein.«
»Gut! Wieviel bietest Du?«
»Von wem ist er?«
»Mensch, was fällt Dir ein? Sage, was Du bietest. Ich gebe Dir fünf Minuten Zeit. Sind wir bis dahin nicht einig, so wird überhaupt nichts aus dem Handel!«
»Fünf Minuten! Wie können fünf Minuten ausreichen, um zu kaufen einen Demantstein! Dazu muß man doch haben Tage, Wochen und Jahre!«
»Gute Nacht!«
Sie wendete sich wieder nach der Thür; er aber ergriff sie abermals beim Arme.
»Halt!« rief er. »Sprechen Sie zu mir ein Wörtchen im Vertrauen. Wieviel wollen Sie haben für den Stein?«
»Hundertfünfzigtausend Gulden.«
Der Jude that einen Sprung in die Luft, schlug die Hände über dem Kopfe zusammen und schrie, als wenn er am Spieße stäke: »Hundert –«
»Fünfzig –« nickte sie.
»Tausend –«
»Gulden! Ja, nicht anders!«
»Gott Israels, ich sterbe vor Schreck!«
»Es ist nicht schade um Dich!«
»Ich bebe und zittere am ganzen Leib!«
»Wegen Deines bösen Gewissens!«
»Mich wird treffen der Schlag!«
»Ich wollte, es träfe Dich ein Schlag um den anderen!«
»Ich will mich beruhigen und besänftigen. Sie haben gemacht einen Scherz! Sie werden streichen ein Nüllchen von dieser großartig unendlichen Ziffer!«
»Wenn Du Dich nicht bald erklärst, hänge ich noch eine Null hinan, anstatt daß ich eine streiche!«
»Das ist zu viel, das ist viel zu viel! Das kann ich nicht geben! Das kann kein Mensch bezahlen!«
»Nun, ist er etwa nicht so viel werth?«
»Er ist werth noch ein klein Wenig mehr. Ich sage das, weil ich will sein aufrichtig. Der Schliff aber wird kosten viel Geld. Ein Juwelier wird bieten hunderttausend Gulden.«
»Blos?«
»Das wird er bieten!«
»Und geben?«
»Geben wird er zwanzigtausend mehr.«
»Gut! Also hundertzwanzigtausend Gulden. Du zahlst mir jetzt die Hälfte und in einer Woche die zweite Hälfte.«
Der Jude machte ein Gesicht, als ob er vor einem Abgrunde zurückschaudere, der sich plötzlich vor ihm geöffnet habe.
»Zahlen? Ich?« fragte er.
»Ja! Natürlich!«
»Für den Stein?«
»Wofür sonst?«
»Und hundertzwanzigtausend Gulden?«
»Gewiß!«
»Habe ich denn geboten dieses Geld, he?«
»Du hast doch gesagt, daß ich so viel erhalten würde!«
»Ja, aber vom Juwelier!«
»Von Dir nicht?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil der Juwelier kauft am Tage und nur von Leuten, die er kennt; ich aber muß kaufen des Abends und des Nachts, und weiß nicht, wer es ist, der mir bringt Diamanten und alte Handschuhe.«
»Nun, der Unterschied ist nicht bedeutend.«
»Aber wenn nun kommt die Polizei und nimmt mir den Stein, weil sie sagt, er sei gestohlen?«
»Lege ihn nicht her.«
»Was soll ich sonst machen damit?«
»Ihn schleifen lassen. Dann kannst Du ihn offen verkaufen.«
»Muß ich nicht haben beim Schleifer eine Legitimation, um nachweisen zu können, von wem ich habe den Diamant?«
»Das geht mich nichts an!«
»Aber mich geht es an, wenn man sagt, daß Salomon Levi habe gekauft gestohlene Sachen.«
»Jude, werde nicht anzüglich! Mach es kurz und nenne mir das höchste Geld, welches Du thun kannst!«
»So werde ich geben heute dreißigtausend Gulden, aber mehr keinen Kreuzer und keinen Pfennig!«
»Nicht mehr?«
»Nein.«
»Ist das Dein Ernst?«
»Ich gebe darauf einen Schwur, daß –«
»Gute Nacht, dummer Mensch!«
Jetzt machte sie Ernst. Sie war schnell wie der Wind zur Thür hinaus. Zwar sprang ihr der Handelsmann nach, um sein Gebot zu erhöhen, aber als er den Hausflur erreichte, stand Rebecca allein da.
»Wo ist der Mann?« fragte er ganz athemlos.
»Fort!«
»Und Du hast ihn gelassen fort?«
»Was soll ich machen? Er kam heraus und riß zurück den Riegel und machte auf die Thür, ohne daß ich sagen konnte ein Wort, oder ihn fassen bei der Hand.«
»Nun ist auch fort der Stein!« wehklagte Salomon.
»Was für ein Stein?«
»Ein
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