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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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heute noch büßen werden!«
    »Lassen wir das! Sie sind anwesend und die Baronin auch. Wir können also auf den Zweck unseres Besuches kommen. Es ist wohl nicht nöthig, Ihnen, meine Herrschaften, mitzutheilen, daß in letzter Nacht beim Fürsten von Befour ein Einbruch stattgefunden hat?«
    Weder der Baron noch Ella antworteten. Auch ihre Gesichter zeigten nicht die mindeste Bewegung.
    »Ich bemerke, daß Sie nicht im Mindesten überrascht sind,« fuhr der Fürst fort. »Es ist also anzunehmen, daß Ihnen diese Begebenheit nichts Neues ist!«
    Immer noch dasselbe Schweigen.
    »Wir sind gekommen, über diesen Einbruch mit Ihnen zu verhandeln, und dabei muß ich Ihnen aufrichtig sagen, daß wir die Meinung hegen, daß Sie Beide der Einbrecherbande nicht fern stehen.«
    Das war zu stark. Jetzt konnte der Baron sein Schweigen nicht länger festhalten. Er sprang auf und rief:
    »Sind Sie verrückt? Soll ich Sie etwa auf das Irrenhaus schaffen lassen?«
    »Oder ich Sie auf das Zuchthaus, Franz Helfenstein?«
    Da stieß der Baron einen Schrei aus, der Demjenigen eines Raubthieres glich, und stürzte sich mit geballten Fäusten auf den Fürsten. Dieser hob kaltblütig das Bein und empfing ihn mit einem Fußtritte, der ihn zu Boden stürzte.
    »Haltet ihn!«
    Diese Worte rief der Fürst seinen beiden Dienern zu. Diese hatten nicht geahnt, daß die Audienz in dieser Weise beginnen werde; doch waren sie auf Alles gefaßt, und so gehorchten sie augenblicklich. Sie ergriffen den Baron und hielten ihn fest. Er rief laut nach der Dienerschaft. Da aber sagte der Fürst:»Schweigen Sie! Oder soll ich Sie vor Ihrem Gesinde blamiren? Denken Sie etwa, es mit einem gewöhnlichen Schutzmanne zu thun zu haben? Ich bin der Fürst des Elendes, hören Sie, der Fürst des Elendes. Setzen Sie sich nieder, und verhalten Sie sich ruhig! Das muß ich Ihnen zu Ihrem eigenen Vortheile rathen!«
    Der Name, den er nannte, verfehlte seinen Eindruck nicht. Ella machte eine rasche Bewegung, ob vor Schreck oder blos vor Ueberraschung, das war schwer zu sagen. Der Baron aber stand mit offenem Munde und stieren Augen da. Sein Feind, sein Erzfeind im eigenen Hause, im eigenen Zimmer! Das raubte ihm geradezu die Sprache.
    »Kommen wir also auf den Einbruch zurück,« fuhr der Fürst fort. »Der Fürst von Befour hatte einen Diener, der ihn zu verrathen trachtete und seit Langem die Absicht hegte, sich dem sogenannten Hauptmanne anzuschließen. Es stand zu erwarten, daß ein Einbruch beim Fürsten die Folge sei, und darum hielt ich es für meine Pflicht, ihn zu warnen«
    Er machte eine Pause. Da Niemand Etwas bemerkte, fuhr er fort:
    »Meine Voraussetzung hat sich als begründet erwiesen. Gestern wurde zwischen diesem untreuen Diener und einem Untergebenen des Hauptmannes ein Einbruch beschlossen, welcher in letzter Nacht stattgefunden hat. Ich hörte noch zur rechten Zeit davon und warnte den Fürsten. Er traf seine Maßregeln. Die Einbrecher haben seinen Juwelenschrank ausgeräumt und sind der Ansicht, Millionen gewonnen zu haben. Sie irren sich. Der Fürst hat seine Schätze ausgeräumt und mit ganz werthlosem Plunder vertauscht. Man wird den Dieben nicht hundert Gulden für ihren Raub bieten.«
    Die Augen Ella’s und des Barons trafen sich; beide aber schwiegen.
    »In Anbetracht des geringen Verlustes, den er erlitt, und des Spaßes, den ihm diese wohlgelungene Täuschung bereitete, hat der Fürst von einer polizeilichen Meldung des Einbruches und von der Verfolgung der Verbrecher abgesehen. Leider aber ist er doch anderweit nicht ohne schweren Verlust geblieben, obgleich er diesen Verlust noch gar nicht kennt. Ich kenne den Dieb. Ich habe Lust, Nachsicht zu hegen, und erkläre daher Folgendes: Giebt der Dieb mir die gestohlenen Steine jetzt zurück, so will ich von einer strafrechtlichen Verfolgung dieser gemeinen That absehen. Die Steine gelangen an ihren Platz zurück, ohne daß der Fürst erfährt, daß er sich einige Stunden lang nicht in ihrem Besitze befunden hat!«
    Ella lag todtesbleich auf ihrem Sitze. Es war unmöglich, daß dieser Mann wissen konnte, daß sie die Steine habe; aber er sprach mit einer Sicherheit, welche infallibel zu sein schien. Der Baron aber wußte gar nichts zu sagen.
    »Sie schweigen Beide?« fragte der Fürst nach einer Pause.
    »Ich verstehe Sie nicht!« stieß der Baron hervor.
    »Verstehen auch Sie mich nicht, Frau Baronin?«
    Sie sah ein, daß sie antworten müsse. Sie nahm sich daher zusammen, zuckte mitleidig die

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