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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gartenpforte, schloß sie hinter sich wieder zu und schlich sich nach dem Hause. Er hatte die Thür desselben noch nicht erreicht, so hörte er sich angerufen.
    »Pst!«
    Er blieb stehen. Eine Gestalt kam von der Seite her auf ihn zu. Sie hatte keine Maske vor dem Gesicht, wie er selbst. Bei der Helligkeit, welche der Schnee verbreitete, konnte man das Gesicht des frommen Herrn – August Seidelmann erkennen.
    »Ah! Auf dem Posten!« sagte der Baron. »Wie steht es?«
    »Kommen Sie!«
    Er führte ihn um das Haus herum nach dem hinteren Theile des Gartens. Dort war an der Innenseite der Mauer der Schnee aufgeworfen worden.
    »Warum das?« fragte der Baron.
    »Darum,« antwortete der Fromme, indem er auf eine Oeffnung deutete. »Kriechen wir hinein.«
    Der Schneehaufen, welcher sich an die Mauer lehnte, war hohl. Beide krochen hinein. Der Baron fand einen ganz bequemen Sitz, auf welchem zwei Personen Platz hatten.
    »Wessen Erfindung ist das?« fragte er.
    »Die meinige. Ich habe diesen Beobachtungsposten extra für uns Beide selbst hergestellt. Jetzt sind wir hier, machen das Eingangsloch von innen zu, daß nur so viel bleibt, daß wir hinaussehen können. So wird kein Mensch, der selbst ganz in die Nähe kommt, denken, daß wir hier beobachten.«
    »Sie haben also Grund, zu denken, daß der Mensch heute wieder kommt?«
    »Sicher! Gestern, als Sie gingen, sah ich, daß er nach Ihnen über die Mauer sprang. Er war bis am Fenster gewesen.«
    »So wird er heute vielleicht durch dasselbe einsteigen!«
    »Ich vermuthe das.«
    »Ist die Treppe fortgenommen?«
    »Ja. Er kann nicht das Mindeste entdecken.«
    »So wird es Zeit, daß wir räumen. Morgen wird Alles fortgeschafft.«
    »Ich halte das nicht für unbedingt nothwendig. Wie nun, wenn dieser Mensch – hm!«
    »Ich verstehe! Sein Verschwinden kann uns nichts nützen. Er arbeitet nicht allein. Er ist Polizist und hat Verbündete. Er gehorcht jedenfalls diesem verdammten Fürsten des Elendes. Es bleibt uns nichts übrig, als auszuräumen und das Geschäft für einige Zeit ganz liegen zu lassen.«
    »Ganz? Wie schade!«
    »Wenigstens müssen wir hier in der Residenz Ferien halten. Desto thätiger aber wird der Waldkönig sein.«
    »Ich kann mir dennoch nicht denken, daß wir hier in gar so großer Gefahr schweben!«
    »Doch! Der Fürst des Elendes spannt ein Netz nach dem anderen um uns. Sogar diesen Apotheker hat er engagirt.«
    »Den alten Horn?«
    »Ja. Dieser hat ihm versprechen müssen, ihm zu dienen. Der Alte ist aber doch so ehrlich gewesen, es mir zu sagen. Doch,
à propos
, wie steht es denn mit dieser Marie Bertram?«
    Der Fromme ließ ein leises Kichern hören.
    »Sehr gut,« antwortete er.
    »Ist sie noch gestört?«
    »Nein. Ihr Geist ist wieder aufgetaut.«
    »Und ihr – ihr Gefühl?«
    »Läßt kaum Etwas zu wünschen übrig. Sie hat von der Frucht gekostet und Wohlgefallen an ihr gefunden. Sie ist jetzt ein appetitlicher Bissen geworden.«
    »Ich werde mir diesen Bissen betrachten, denke aber, daß er sich nicht lange im Besitze unserer frommen Madame Groh befinden wird.«
    »Warum?«
    »Ihr Bruder wird sich nach ihr erkundigen und sie zurückverlangen.«
    »O, ich habe gesorgt! Einstweilen ist sie verreist.«
    »In Wirklichkeit?«
    »Nein; aber er wird es glauben. Horch!«
    Jenseits der Mauer ließen sich Schritte vernehmen. Man hörte das Klirren von Eisen.
    »Hören Sie!« flüsterte der Fromme. »Er kommt. Er hat die Eisen entdeckt. Ein schlauer Patron!«
    Einige Sekunden später kam Adolf über die Mauer gesprungen; der Fürst folgte ihm. Beide entfernten sich vorsichtig nach dem Gebäude zu.
    »Zwei!« meinte der Baron. »Er hat noch Einen mit. Ich hatte also Recht: Er arbeitet nicht allein und auf sein eigenes Risico. Man kann sie von hier aus sehr gut sehen.«
    »Ja. Ich habe diesen Lauscherposten so angelegt, daß man Alles beobachten kann. Sehen Sie, daß der Eine jetzt durch das Fenster steigt?«
    »Ja. Der Andere folgt.«
    »Sie werden sehr enttäuscht sein, wenn sie sich in einem Loche sehen, zu welchem es keinen anderen Aus-und Eingang als durch eben das Fenster giebt.«
    »Welch ein Glück, daß unser Posten diesen Kerl beobachtete. Wäre das nicht gewesen, so würden diese bEiden jetzt die Treppe und das Katheder finden, und eines schönen Tages würde die Polizei über uns herfallen. Sehen Sie, daß sie Licht gemacht haben?«
    »Ja. Sie suchen. Na, gratulire!«
    Nach längerer Zeit verlöschte das Licht, und die Beiden kamen wieder

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