Der verlorne Sohn
Durchlaucht, daß ich wegen einer Bagatelle es wage, Sie zu incommodiren!« sagte er. »Ich habe mit einem Herrn Bertram zu sprechen, und es wurde mir gesagt, daß ich die Adresse desselben nur bei Eurer Hoheit erfahren könne.«
Der Fürst musterte den Mann mit kaltem Blicke und fragte:
»Sind Sie vielleicht Abgesandter des Barons von Helfenstein?«
»Allerdings.«
»So befinden Sie sich am richtigen Orte. Herr Bertram hat die Freundlichkeit gehabt, mich mit seiner Vollmacht zu beehren.«
Der Lieutenant in Civil horchte ganz erstaunt auf.
»Wie?« fragte er. »Euer Durchlaucht sind Secundant dieses, dieses – hm, dieses bürgerlichen Mannes?«
»Ja. Finden Sie darin etwas so Wunderbares?«
»Wenigstens etwas Ungewöhnliches!«
»Die Vollmacht eines Bürgerlichen, der sich wie ein Adeliger benimmt, ehrt jedenfalls mehr als das Mandat eines Adeligen, dessen Betragen ein gemeines ist!«
»Ah! Soll sich das vielleicht auf meinen Auftraggeber beziehen, Hoheit?«
»Schweifen wir nicht ab! Was haben Sie mir zu sagen?«
»Der Herr Baron fordert Herrn Bertram, ohne zu untersuchen, ob derselbe auch satisfactionsfähig ist.«
»Schön!« lächelte der Fürst. »Herr Bertram hat die Güte, die Forderung zu aceptiren, ohne seinerseits die Ehrenhaftigkeit des Barones einer Untersuchung zu unterwerfen. Nehmen Sie Platz, und lassen Sie uns das Nähere bestimmen!«
Als nach einiger Zeit der Lieutenant zu dem Baron zurückkehrte, zeigte er sich bei höchst schlechter Laune. Er warf den Hut von sich und fragte:
»Sagen Sie, Baron, haben Sie mir das Ereigniß wirklich der Wahrheit nach erzählt?«
»Natürlich!«
»Dann kann ich das Benehmen dieses Fürsten von Befour wahrlich nicht begreifen! Fast hätte ich Lust, ihn nun meinerseits zu fordern!«
»Ich habe Sie ja bereits auf diese Arroganz vorbereitet. Welche Vereinbarungen haben Sie getroffen?«
»Pistolen, zwanzig Schritt Distance.«
»Verdammt nahe!« meinte der Baron.
Der Offizier blickte überrascht auf und fragte:
»Fürchten Sie sich etwa, Baron?«
Franz von Helfenstein fühlte sich getroffen. Er antwortete daher schnell:
»Sie haben mich vollständig falsch verstanden. Wenn ich die angegebene Distance sehr nahe nannte, so that ich es vor Freude, weil mir dadurch Sicherheit wird, daß mein Gegner nicht, ohne Blut zu lassen, vom Platze kommen wird! Wann wird das Rencontre stattfinden?«
»Morgen früh acht Uhr im Birkenthale. – Arzt, Waffen und den Unpartheiischen wird der Fürst besorgen.«
»So ist der Fürst Sekundant des Gegners?«
»Zu meiner Verwunderung, ja.«
»Er ist also mehr als ein Sonderling, wofür ich ihn bisher gehalten habe. Nur ein Dummkopf kann einem Schreiber sekundiren! Darf ich hoffen, daß Sie sieben Uhr bei mir sein werden?«
»Gewiß. Haben Sie für den Fall, welchen ich allerdings nicht erwarte, mir irgend eine Anweisung zu geben?«
»Nein. Ich kann Sie nicht noch mehr belästigen, als es bereits jetzt geschieht, und werde meine Maßnahmen anderweit treffen.«
Der Offizier entfernte sich und ließ den Baron nicht in der besten Stimmung zurück. Er war keineswegs als Held angelegt, obgleich er der Dirigent einer zahlreichen Diebesbande war. Sich dem Laufe einer geladenen Pistole gegenüber zu stellen, das war ganz und gar nicht nach seinem Geschmacke. Er sah ein, daß die Beleidigung des Jünglings eine Unüberlegtheit von ihm gewesen sei. Er hätte Bertram ganz ignoriren sollen. Ein Schreiber durfte für ihn, den Baron, gar nicht anwesend sein. Und indem er sich das sagte, wurde er auf sich selbst zornig.
So traf ihn Herr August Seidelmann, welcher kam, um sich in Betreff des geheimen Auszuges, der für heute Abend beschlossen war, zu verabreden. Diesem theilte er mit, daß er für morgen einen Zweikampf zu erwarten habe, und nannte ihm auch die Personen, um welche es sich handelte.
»Aber, gnädiger Herr Baron,« sagte der Schuster, »ich muß Ihnen sagen, daß ich ganz starr vor Verwunderung bin!«
»Schweigen Sie! Was Sie mir sagen wollen, habe ich mir bereits selbst gesagt. Dieser verdammte Oberst zwingt mich zu diesem Duelle!«
»Wenn die Kugel trifft, nämlich wenn Sie getroffen werden, was wird dann aus unserem Unternehmen?«
»Hm, nicht jede Kugel trifft. Sie kennen die Bertram’sche Familie. Wissen Sie vielleicht, ob dieser Knabe schießen kann?«
»Ich glaube kaum. Er war zwar Gymnasiast, hat sich aber von allem Allotria fern gehalten.«
»Nun, so darf ich annehmen, daß er mich nicht treffen,
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