Der verlorne Sohn
abgeschlossen.
Unterdessen war Robert Bertram in das Haus Wasserstraße Nummer elf getreten und die Treppen empor gestiegen. Die Thür zu seiner früheren Wohnung war verschlossen. Er ging eine Treppe tiefer. Dort wohnte ja Wilhelm Fels, der Geliebte seiner Schwester Marie. Der Name stand nicht mehr an der Thür. Bertram klopfte. Es wurde geöffnet. Ein fremder Mann sah heraus und fragte:
»Was wollen Sie?«
»Ich suche den Mechanicus Fels.«
»Kenne ich nicht.«
»Er wohnte ja hier!«
»Geht mich nichts an.«
Damit machte der Mann die Thüre zu und schob den Riegel vor.
Bertram schüttelte den Kopf. Er wußte ja noch nicht, was hier geschehen war. Er stieg in das Parterre hinab zu dem Holzhacker Schubert. Das Bein desselben war noch immer nicht heil, und seine Frau, die Wäscherin, lag noch immer mit gelähmten Gliedern darnieder. Beide erkannten ihn sofort.
»Herr Bertram!« rief der Mann. »Ist’s möglich? Was führt Sie denn in dieses Unglückshaus? Herrgott! Wer hätte das gedacht? Nicht wahr? Aber nun ist Ihre Unschuld erwiesen. Wir haben es gleich gesagt!«
»Ich suche Felsens.«
»Felsens? Lieber Gott! Wissen Sie das nicht?«
»Was?«
»Der Wilhelm hat gestohlen. Er hat sechs Wochen Gefängniß erhalten. Das hat er davon!«
»Gestohlen? Unmöglich! Er muß unschuldig sein!«
»Unschuldig? Man hat ja die Sachen bei ihm gefunden.«
Bertram bedurfte seiner ganzen Selbstbeherrschung.
»Wo ist denn da seine Mutter?«
»Die haben sie in das Bezirkshaus geschafft. Sie soll nicht recht bei Sinnen sein.«
»Gott erbarme Dich! Ist das wahr?«
»Ja. Wir wissen es genau. Nämlich zu uns kommt sehr oft der ehrwürdige Herr Seidelm – – – ah, da kommt er gleich! Da können Sie ihn selber fragen!«
Bertram blickte sich um. Seidelmann, der gerade jetzt eingetreten war, stand vor ihm.
»Herr, behüte mich vor unzüchtigem Gelichte!« sagte er im Tone des Abscheues. »Herr Schubert, was haben Sie da für Besuch!«
»Herr Bertram ist’s!«
»Das weiß ich. Aber haben Sie noch nicht gehört, daß böse Buben gute Sitten verderben?«
Bertram blickte den Sprecher ruhig an. Dann sagte er:
»Mit dem Ausdruck Bube bezeichnen Sie doch wohl nur sich selbst; denn ein Bube sind Sie, und zwar der allerschlimmste, den ich jemals kennen gelernt habe. Ihre fromme Maske kann nur Blinde täuschen, mich aber nicht. Es kommt die Zeit, in welcher wir miteinander zusammenrechnen! Zur Seite! Machen Sie Platz!«
Er wollte gehen; aber Seidelmann stellte sich breitspurig vor die Thür und antwortete:
»O, Du gottloses Gezücht! Bereits schwebt Gottes Strafgericht über Dir! Du sollst hier bleiben und nicht eher gehen, als bis ich Dir gesagt habe, daß – – –«
»Machen Sie Platz!« unterbrach ihn der Jüngling drohend.
»Willst Du mich bange machen, Du Kind Belials? Einmal noch bist Du dem Grimme der Gerechtigkeit entgangen, doch hoffe nicht, daß dies zum zweiten Male geschehe. Das Gesetz hat bereits die Wurfschaufel in der Hand und wird – – Herr, mein Heiland – Himmelheiligesdonnerwetter!!!«
Bertram hatte ihm nämlich, um sich endlich den Weg frei zu machen, die Faust derart von unten herauf an die Nase gestoßen, daß aus derselben sofort das Blut herniederströmte und der Getroffene eine ganze Strecke zur Seite flog. Der junge Mann entfernte sich, während hinter ihm die Stimme des Heuchlers laut ertönte.
Er wollte nun nach Hause, nach der Siegesstraße, und benutzte diese Gelegenheit, das Haus des Obersten von Hellenbach zu passiren. Er ging auf der anderen Seite, um einen Blick nach den Fenstern werfen zu können. Er bemerkte Niemand, schien aber selbst bemerkt worden zu sein, denn es wurde ein Fenster geöffnet, und er hörte hinter sich seinen Namen rufen. Sich umdrehend, erkannte er den Obersten, welcher ihm winkte, hinaufzukommen.
Die erste Frage des alten Soldaten war:
»Haben Sie eine Forderung erhalten?«
»Nein.«
»Feigling, der! Man wird ihm zeigen, was man von ihm zu denken hat!«
Eine halbe Stunde später erhielt der Baron Franz von Helfenstein folgende Zeilen:
»Wenn Sie bis morgen Mittag zwölf Uhr Herrn Bertram nicht gefordert haben, veröffentliche ich Ihr Verhalten in den Blättern und haue Sie außerdem bei erster Gelegenheit mit dem Stocke durch!
v. Hellenbach, Oberst.«
Am nächsten Vormittag bat ein Herr, dessen Karte hinter dem Namen die Bezeichnung Lieutenant trug, den Fürsten von Befour sprechen zu dürfen. Er wurde vorgelassen.
»Verzeihung,
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