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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sie?«
    »Nein.«
    »So darf ich eintreten?«
    »Ja, kommen Sie!«
    Der Alte kam herein, in Hose, Weste und Hemdsärmeln.
    »Man hat geschossen! Haben Sie es gehört?« fragte er.
    »Sehr deutlich.«
    »Wo mag das gewesen sein?«
    »Im Haingrunde.«
    »Donner und Doria! Das wissen Sie? Wer hat denn geschossen?«
    »Die Grenzer auf die Pascher. Ich selbst habe sie aufmerksam gemacht, daß der Waldkönig heute beabsichtigt, durch den Haingrund über die Grenze zu gehen.«
    »Und davon weiß ich kein Wort, kein Sterbenswort! Sie müssen mir das Ding erzählen! Ich gehe gar nicht eher fort!«
    Er setzte sich auf einen Stuhl, und Arndt berichtete ihm von dem Geschehenen so viel, wie er für gut und nöthig hielt.
    Auch Eduard Hauser vermochte nicht zu schlafen, aber aus einem ganz anderen Grunde. Seine unglückliche Liebe raubte ihm die Ruhe. Er wandt sich in seinem Bette lange hin und her, ehe er den Schlaf finden konnte, und darum war es nicht mehr frühe, als er erwachte. Der Tag war bereits angebrochen.
    Als er in die Wohnstube trat, saß die Familie mit den Kindern des Schreibers beim Kaffee. Er betete leise, wie es gebräuchlich war, und langte dann auch zu. Da klopfte es an die Thür, und der alte Barbier trat ein, welcher am Sonnabend Mittag mit Kartoffeln und Salz gegessen hatte.
    »Guten Morgen!« grüßte er, sich die frostigen Hände reibend.
    Sein Gruß wurde erwidert. Er sog den Duft des Kaffees mit der Nase ein und sagte ganz verwundert: »Aber Gevatter, Ihr lebt ja heute in Saus und Braus! Das riecht ja ganz und gar so wie Kindtaufskaffee!«
    »Ist beinahe so,« antwortete die Hausfrau. »Wollen Sie eine Tasse mittrinken?«
    »Sapperment! Zwei für eine und drei für zwei! Ihr müßt ja plötzlich ganz außerordentlich reich geworden sein!«
    »Es ist nicht von Bedeutung!«
    »Aber so einen Kaffee habe ich noch nie gerochen, in meinem ganzen Leben noch nicht. Und gar Zucker dazu! Na, für diese Wohlthat kann ich auch gleich dankbar sein. Ich habe Neuigkeiten.«
    Natürlich wurde da gleich gefragt, was er aufzutischen habe.
    »Erstens ist der Waldkönig erwischt worden,« sagte er.
    »Was? Wie?« fragte der alte Weber. »Der Waldkönig selbst?«
    »Nein, er selbst noch nicht; aber seine Leute!«
    »So? Hat man sie?«
    »Nein, sie selbst noch nicht; aber die Waaren sind da.«
    »Ach so! Wo ist denn das geschehen?«
    »Im Haingrund. Denkt Euch, daß die Grenzer gestern die falsche Nachricht erhalten haben, daß der Pascherkönig nach dem Finkenfang kommen wolle. Sie gehen auch hin, ihn dort gehörig zu empfangen, und als sie vergeblich warten, da kommt ein fremder Mann und sagt Ihnen, daß man sie zum Narren gehalten habe und daß der König durch den Haingrund kommen werde, punkt Ein Uhr.«
    »Wer war der Fremde?«
    »Das hat ihn der Offizier auch gefragt. Und denkt Euch nur, wer es gewesen ist! Der Fürst des Elendes nämlich!«
    Diese Nachricht erregte natürlich bei den Alten große Sensation.
    »Der Fürst des Elendes!« sagte der Weber. »Der ist ein Bote des Himmels, von Gott gesandt für die Armen und Kranken, gegen die Reichen und Bösewichte.«
    »Ja. Kaum hat man gehört, daß er sich unserer Gegend nähere, so sieht man auch bereits, welch ein Segen er ist.«
    »Und er hat die Wahrheit gesagt?«
    »Natürlich! Die Grenzer sind eilig nach dem Haingrund aufgebrochen und haben dort einen großen Pascherzug ausgehoben. Getödtet und gefangen ist Niemand worden. Die Kerls haben bei den ersten Schüssen gleich die Packete weggeworfen und sind davongelaufen. Man sagt, daß der Waldkönig gar nicht dabeigewesen sein könne, sonst hätten sie mehr Courage gezeigt.«
    »Die Courage des Sünders ist nicht der rechte Muth!«
    »Ja. Das zeigt sich auch in der zweiten Neuigkeit, welche ich bringe. Auch da sind Drei davongelaufen.«
    »Wo?«
    »In der Nachbarstadt; drei Gaukler, welche ihr Kind ermordet haben, einen armen, kleinen, unschuldigen Knaben.«
    Die Frau schlug die Hände zusammen und rief:
    »Ermordet? Ein unschuldiges Kind? Oh, diese böse, böse Welt!«
    »Ja. Und die Mörder sind entkommen. Aber die sämmtliche Gensd’armerie ist auf den Beinen, und alle Wege sind besetzt, um diese Kerls zu fangen. Und das Dritte –«
    »Noch eine Neuigkeit?«
    »Ja, und eine höchst traurige! Aber ah, da fällt mir ein, daß Ihr ja die Kinder da habt!«
    Er warf einen bezeichnenden Blick auf die Kinder des Schreibers.
    »Was ist’s denn?« fragst der Weber.
    »Der arme Mann! Der arme Beyer!«
    »Nun, Gott wird

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