Der verlorne Sohn
Manne verkehren, der hier fremd ist.«
»Was das betrifft, so sind meine Eltern bereits schlafen gegangen, die Kinder natürlich auch.«
»Gut! Gehen wir also dahin!«
Sie begegneten außerhalb des Städtchens keinem Menschen und erreichten auch dann das Häuschen Hauser’s unbemerkt. Als Arndt sich in dem ärmlichen Zimmer umsah, überkam ihn eine tiefe Rührung. Er reichte Eduard die Hand und sagte: »So also wohnten, lebten und arbeiteten Sie! Hoffen wir, daß Sie am Ende aller Noth und Sorge stehen!«
Sie setzten sich an den Tisch, und Arndt zog sein Notizbuch hervor. Eduard schrieb sich die Ziffern ab, um bei dem Dechiffriren mit zu helfen.
»Wie es scheint, sind es drei Worte,« meinte Arndt.
»Und jede Ziffer bedeutet einen Buchstaben,« sagte Eduard.
»Vermuthlich! Aber für welchen Buchstaben steht die einzelne Ziffer? Das ist die Frage!«
»Wohl einfach dem Alphabete nach!«
»Das wäre sehr leicht! Versuchen wir es einmal!«
Aber auf die angegebene Weise ergaben die Ziffern 25. 6. 8. 16. 6. 13. 20. 7. kein verständliches Wort.
»Es geht also doch nicht!« meinte Eduard kopfschüttelnd.
»Allerdings nicht. Aber eine sehr zusammengesetzte Chiffreschrift haben wir dennoch wohl nicht vor uns. Pascher sind keine gelehrten Leute. Wollen einmal das Alphabet umkehren, so das A 25 und Z 1 bedeutet. Vielleicht geht es da!«
Und kaum hatten sie da angefangen, so sagte Eduard:
»Ich hab’s! 25. 6. 8. 16. 6. 13. 20. 7. bedeutet Auskunft!«
»Richtig! 15. 25. 6. 24. 21. ergiebt Laube, und 8. 23. 18. 25. 23. 18. 7. bedeutet soviel wie Schacht.«
»Also Auskunft – Laube – Schacht!«
»Ja. Auskunft erhält man also auf dem Schachte. Aber, hm, Laube! Sollte es dort eine Laube geben, in welcher –«
»O nein,« fiel Eduard ein, »nicht eine, sondern einen Laube giebt es dort. Der Schachtwächter heißt Laube.«
»Prächtig! Das ist’s! So ist’s! Was für ein Kerl ist denn dieser Mann?«
»Finster, wortkarg, aber verschlagen.«
»Ehrlich?«
»Man weiß nichts Schlechtes von ihm, aber auch nichts Gutes.«
»Das genügt. Das sind die schlimmsten Leute. Wann hat er die Wache? Ich meine, zu welcher Tageszeit?«
»Des Nachts.«
»Auch dieses paßt. Und er wohnt auf dem Schachte?«
»Ja. Seine Stube liegt gegenüber der großen Dampfesse. Wollen Sie mit ihm sprechen?«
»Jedenfalls.«
»Aber doch nicht heute noch?«
»Nein. Für heute können wir mit unseren Resultaten zufrieden sein. Aber ich bitte Sie sehr, das, was wir erfahren haben, nicht zu mißbrauchen. Gehen Sie nur dann zur Eiche, wenn es nothwendig ist, und visitiren Sie das Kästchen nicht zu oft!«
»Ich werde mich ganz nach Ihrem Willen richten. Wann brauchen Sie mich wieder?«
»Das kann ich nicht sagen. Morgen Abend können wir – ah nein, da fällt mir ja ein, daß Sie zur Maskerade gehen. Nicht?«
»Ja, wenn Sie es mir erlauben.«
»Ich will Sie nicht hindern. Aber was Sie mir darüber andeuteten, schien nichts sehr Glückliches zu sein?«
Eduard senkte den Kopf und antwortete:
»Glückliches gar nicht!«
»Man soll sich nicht um die Herzensangelegenheiten Anderer kümmern; aber vielleicht kann ich Ihnen nützlich sein, wenn es Ihnen gelingen wollte, Vertrauen zu fassen!«
»Vertrauen, Herr Arndt? Wie können Sie daran zweifeln! Sie haben so viel an mir und den Meinen gethan, daß –«
»Sprechen wir nicht davon!« wurde er unterbrochen. »Aber da fällt mir ein: Haben Sie diesem Seidelmann die Schuld bezahlt?«
»Noch nicht!«
»Warum nicht?«
»Die Zeit ist noch nicht um, und sodann wollte ich den geeigneten Moment abwarten, so einen Augenblick, einen Augenblick –«
»An welchem Sie ihm das Geld moralisch an den Kopf werfen können. Ich verstehe Sie. Ist es nicht so?«
»Ja, so ist es!«
»Nun, so warten Sie es ab! Und also die Maskerade?«
»Die wird vom Casino in der Schänke hier abgehalten. Das Engelchen, unsere Nachbarstochter, hat von Einem, den sie noch nicht kennt, eine Einladung erhalten und den Anzug als Italienerin dazu.«
»Da sieht sie wohl reizend aus?«
»Reizend? O nein! Viel schlimmer! Wie eine – eine – ich kann das Wort nicht über die Lippen bringen!«
»Und sie geht?«
»Ja. Sie will es, und ihr Vater will es. Ich habe ihr alle guten Worte gegeben, bringe sie aber nicht davon ab.«
»So hat sie Sie nicht lieb!«
»O doch! Ich weiß, daß sie mich lieb hat, aber sie ist verblendet!«
»Haben Sie bereits von Liebe mit ihr gesprochen?«
»Nein.«
»Nun sehen Sie! Da kommt so
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