Der verlorne Sohn
mit.«
»Warum? Es sind ja Kinder genug da.«
»Das sehe ich. Aber, Nachbar, daß ich es Dir nur gleich sage: Es liegt mir gar nichts daran, wenn Jemand von Euch noch einmal zu mir hinüber kommt.«
Der alte, brave Hauser horchte hoch auf.
»Wie?« fragte er. »Nichts daran liegt Dir? Das begreife ich nicht, und das verstehe ich nicht! Wir sind ja so lange Zeit gute und getreue Nachbarn gewesen, fast so lange ich nur denken kann!«
»Wir brauchen ja auch nicht gerade Feinde zu werden; aber es kann nichts nützen, wenn es so fortgeht, wie es bisher war!«
»Warum? Was haben wir Dir gethan?«
»Das fragst Du noch? Hat hier der Eduard nicht heute wieder mit meiner Angelica gesprochen?«
»Ja. Er selbst hat es mir gesagt. Soll er das nicht?«
»Nein. Ich verbiete es ein für alle Male!«
»Warum?«
»Er schamerirt mit ihr; aber er ist kein Mann für meine Tochter.«
»Ist es das! Nun, da kann ich allerdings nicht mit Dir rechten. Du bist Engelchens Vater und hast Deine Pflicht zu thun.«
»Das denke ich auch! Es freut mich, daß Du das einsiehst. Uebrigens hat mir Seidelmann verboten, mit Euch zu verkehren.«
»Der? Warum der?«
»Nun, das ist seine Sache. Zudem wird Engelchen in Seidelmanns Haus ziehen.«
»Ist’s möglich? Was soll sie dort?«
»Sie bekommt da eine Stelle, eine sehr schöne Stelle.«
»Als was?«
»Als – hm, wie sagte er nur gleich! Es ist so etwas Vornehmes. Stütze der Hausfrau, glaube ich, heißt es.«
»Das verstehe ich nicht. Ich kenne nur zwei Ausdrücke, nämlich Kindermädchen und Magd. Eine Magd hat Seidelmann schon, und ein Kindermädchen braucht er nicht.«
»Aber eine Stütze!«
»Er!«
Da blickte der Nachbar zornig auf und antwortete:
»Willst Du mich etwa beleidigen?«
»Nein, das fällt mir nicht ein. Aber, Nachbar, warnen möchte ich Dich!«
»Ich brauche weder eine Warnung, noch einen Rath von Dir! Ich weiß selbst, was ich zu thun und zu lassen habe!«
»Nun, so wollen wir es in Gottes Hand legen!«
»Das ist das Beste, was ihr thun könnt.«
»Wir haben es bereits gethan. Du hast die Worte gehört, welche ich vorgelesen habe?«
»Ja.«
»Nun, sie galten Deinem Engelchen. Wir haben für sie gebetet.«
Da stand Hofmann auf und sagte in zornigem Tone:
»Gebetet? Für sie! Wer hat Euch das erlaubt? Wer giebt Euch das Recht, für meine Tochter zu beten?«
»Das Recht? O, nicht allein dieses haben wir, sondern es ist sogar unsere Pflicht, für unseren Nächsten zu beten.«
»Aber Ihr habt keine Veranlassung dazu!«
»Darüber zu urtheilen, das überlasse uns, Nachbar. Ich bete, wenn ich das Herzensbedürfniß dazu habe.«
»So betet denn in des Kukuks Namen fort; aber kommt mir ja nicht wieder in mein Haus!«
Er erhob sich und wollte gehen. Da aber legte Eduard ihm die Hand auf den Arm und fragte:
»Weiß Engelchen schon, daß sie zu Seidelmanns zieht?«
»Nein. Ich habe es ihr noch nicht gesagt. Warum?«
Der junge Mann athmete erleichtert auf und antwortete:
»Weil ich mir denke, daß sie es nicht thun wird.«
»Oho! Warum?«
»Sie würde sich einem bösen Gerüchte aussetzen.«
»Das laß’ nur ganz meine Sorge sein, Bursche! Der Lohn, welchen sie bekommt, ist mitzunehmen. Und was das böse Gerücht betrifft, so giebt es sicherlich keine schlimmere Nachrede, als die, daß mein Engelchen mit Dir verkehrt. Gute Nacht!«
Er bückte sich am Ofen nieder, nahm einige Scheite Holz auf und ging. Frau Hauser schlug die Hände zusammen und sagte: »Haben wir schon einmal so etwas erlebt, Vater?«
»Noch nicht, Mutter. Der Teufel des Hochmuths hat ihn ergriffen. Aber laß’ das gut sein. Wir wollen noch nicht richten!«
Im Inneren Eduard’s gab es eine große Unruhe. Er hatte sich in den letzten Tagen alle Mühe gegeben, sie nicht bemerken zu lassen. Sie wurde gesteigert durch das, was er jetzt gehört hatte. Es litt ihn nicht in der Stube. Er ging hinaus, um kühle Luft einathmen zu können.
Er schritt langsam die Gasse hinauf, bis er die Schänke erreichte. In dieser ging es gar lustig her. Der Saal war hell erleuchtet. Musik erschallte. Und auch die untere Gaststube schien bereits ziemlich gefüllt zu sein.
Er holte tief Athem und kehrte zurück. Eine Gestalt kam ihm entgegen, eine weibliche Gestalt, tief in ein Tuch gehüllt. Sie wollte schnell an ihm vorüber; aber er erkannte sie doch. Sollte er sie anreden oder nicht? Sein Zorn sagte ›Nein‹, sein Herz aber gebot ihm das Erstere.
»Engelchen!« sagte er.
Sie ging weiter, ohne zu
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