Der verlorne Sohn
ich sie heute noch besiege?«
»Das gelingt Dir nicht!«
»Ich frage, ob Du mit mir wettest!«
»Wie hoch?«
»Fünfzig Gulden!«
»Da thue ich allerdings mit. Aber es handelt sich um die Sicherheit; ich muß mich überzeugen können.«
»Das sollst Du. Also, ich sage, daß ich noch heute, hier, dieses Mädchen besiegen werde, und Du bestreitest es?«
»So ist es! Nur fragt es sich, was Du mit dem Worte ›besiegen‹ bezeichnen willst.«
»Das bedarf eigentlich gar keiner Erklärung. Sie wird mein werden, wie die Frau dem Manne gehört.«
»Das bestreite ich allerdings. Also, die Wette gilt. Aber wie willst Du mir Sicherheit und Ueberzeugung bieten?«
»Du sollst Zeuge sein.«
»Sakkerment! Ich soll dabeisein?«
»Ja.«
»Da wirst Du erst recht nichts erreichen!«
»Dennoch! Sie wird Dich nicht bemerken. Da drüben über dem Gange giebt es nämlich ein kleines Gastzimmerchen mit Sopha, Bett, Tisch und zwei Stühlen. Da ich mir vorgenommen hatte, mit dem hübschen Mädchen heute ein Stündchen allein zu sein, so habe ich das Stübchen für mich gemiethet. Der Schlüssel steckt bereits hier in meiner Tasche. Wenn sie einige Gläser Champagner getrunken hat, wird sie warm und liebevoll geworden sein. Dann wird man uns, selbst wenn man uns vermißt, nicht finden.«
»Verdammt gut ausgedacht!« knirschte Eduard.
»Nicht wahr, Alter? Glaubst Du nun immer noch nicht, daß das Mädchen mir gehören wird?«
»Nein.«
»Du hältst also die Wette aufrecht?«
»Ja.«
»Nun gut! Einige Augenblicke, bevor ich mich zurückziehe, werde ich es Dir sagen, Du gehst dann in das Zimmer und versteckst Dich, so daß Du von ihr nicht gesehen wirst.«
»Wohin?«
»Das Bett ist ein Himmelbett mit Vorhängen. Zwischen ihm und der Fensterwand ist so viel Raum, daß Du einen Stuhl einschieben kannst, um Dich darauf zu setzen.«
»Schön! Da werde ich es sehr bequem haben.«
»Das Sopha steht so, daß Du von dort aus gar nicht gesehen und bemerkt werden kannst, falls es Dir nicht etwa einfällt, zu husten, zu nießen oder sonst irgend eine Dummheit zu machen.«
»Das wird mir gar nicht einfallen. Aber sage, wird Dich meine Anwesenheit denn nicht geniren?«
»Ganz und gar nicht. Der Sieger kann sich nur freuen, wenn er weiß, daß er einen Zeugen seines Sieges, einen Bewunderer hat.«
»Kerl, Du bist scham-und gewissenlos!«
»Pah! Ich werde fünfzig Gulden gewinnen! Aber wann die Wette zu zahlen ist, darüber haben wir noch nichts gesagt!«
»Bestimme Du!«
»Morgen Abend!«
»Gut. Wie aber finde ich das Zimmer?«
»Du gehst an der Treppe vorüber und über den Gang hinweg. Es ist die zweite Thür.«
»Wäre es nicht besser, Du gäbst mir gleich den Schlüssel?«
»Warum?«
»Weil ich ihn doch einmal eher brauche, als Du.«
»Gut, hier! Aber stecken lassen mußt Du ihn natürlich, sonst können wir nicht hinein. Ich werde ihn dann abziehen.«
»Und wenn Ihr wieder geht, so lässest Du offen, damit auch ich mich dann entfernen kann.«
»Das versteht sich ganz von selbst. Aber, ich glaube, meine Kleine wird ungeduldig. Und auch Deine Marie giebt sich Mühe, Dich unter den Masken zu erkennen. Halten wir uns jetzt fern von einander, damit Niemand meint, daß wir einen Plan haben!«
Er kehrte zu Engelchen zurück, und Eduard war gezwungen, trotz seiner mehr als ernsten Stimmung an dem Vergnügen theilzunehmen. Er tanzte; er trank zuweilen einen Schluck Wein, welcher zur Disposition Jedermanns stand, ließ aber dabei Seidelmann und Engelchen so wenig wie möglich aus dem Auge. Er hatte sich noch nie in solcher Gesellschaft befunden, aber er fand, daß es ihm nicht schwer fiel, sich ohne alle Fehler zu bewegen.
Erst war er höchst begierig gewesen, zu erfahren, wer es war, der Engelchen eingeladen hatte. Nun wußte er es. Er hatte Seidelmann an seinem großen Siegelringe erkannt, und nun war ihm auf einmal Vieles klar. Seidelmann betrachtete ihn als Nebenbuhler, und darum hatte er ihm in letzter Zeit auf alle mögliche Weise zu schaden gesucht.
Eduard war mit dem festen Vorsatze hergekommen, die Geliebte zwar zu beobachten, sonst aber ganz und gar nicht handelnd einzugreifen. Sie war für ihn verloren. Jetzt aber, da er Den erkannt hatte, dem sie zum Opfer fallen sollte, regte sich ein fürchterlicher Grimm in ihm, und zugleich ward er sich der ganzen Größe und Innigkeit seiner Liebe bewußt. Nein, dieser Seidelmann, dieser Mensch sollte nicht über die Reinheit Angelica’s triumphiren; dieser Bube am
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