Der verlorne Sohn
Diese vornehmen Damen und Herren hatten zwar Alle ihre Gesichter verhüllt, aber sie waren so freundlich, so lustig, so zutraulich! O, wer doch auch so reich und so vornehm sein und immer an solchen Vergnügungen Theil nehmen könnte!
Wer aber war ihr Tänzer? Sie vermochte nicht, dies zu errathen; aber sie bemerkte, daß er bei den Anderen in Ansehen stand und daß er oft um Rath oder gar um Genehmigung gefragt wurde. Er mußte also in dem Vereine Casino Etwas zu bedeuten haben.
Jetzt saß sie an seiner Seite, und er hielt ihre Hand in der seinigen. Am Eingange lehnte eine Maske, welche die Augen nicht von den Beiden ließ. Seidelmann hatte sie noch nicht bemerkt; jetzt aber fiel sein Blick zufällig nach jener Richtung, und da erhob er sich schnell.
»Ah, endlich!« sagte er. »Ich glaubte schon, daß er gar nicht nachkommen werde.«
»Wer?« fragte Engelchen.
»Der dort an der Thür.«
»Wer ist es?«
»Ein Freund von mir. Als er abgeholt werden sollte, hatte er erklärt, daß er noch nicht könne, aber bald folgen werde.«
Er schritt über den Saal hinweg, auf die Maske zu, gab ihr die Hand und sagte:
»Willkommen! Ich verzichtete schon darauf, Dich zu sehen. Aber mit welcher Gelegenheit bist Du gekommen?«
Er glaubte natürlich, den jungen Kaufmann Strauch vor sich zu haben, und ahnte nicht, daß es Der sei, dem er in letzter Zeit so feindselig gegenüber getreten war. Eduard bemerkte aus diesen Worten, daß Seidelmann gewußt habe, welche Maske Strauch tragen werde. Er sah ein, daß es am Besten sei, so ungenirt wie möglich aufzutreten; darum antwortete er frisch weg: »Es paßte gerade, daß ich mit einem hiesigen Geschirr fortkommen konnte, sonst hätte ich mich wohl in Verlegenheit befunden. Auf dem Rückweg wird es wohl ein Plätzchen für mich bei den Anderen geben.«
Er war öfters bei Strauch’s gewesen und wußte, daß der junge Strauch ein Wenig mit der Zunge anstieß. Dies ahmte er, so gut es gehen wollte, nach. Uebrigens verstand es sich ganz von selbst, daß die Stimme durch die Larve verändert wurde.
»Der Anzug sitzt Dir ausgezeichnet,« sagte Seidelmann, indem er ihn vom Kopfe bis zum Fuße herab musterte. »Ich bin neugierig, ob Dich Deine Marie erkennen wird! Aber, ich sehe doch Deine Ringe nicht.«
»Die habe ich abgezogen, eben damit sie mich nicht erkennen soll.«
»Schlaukopf! Aber mich fragst Du nicht?«
»Was sollte ich fragen?«
»Ob es mir gelungen ist!«
Eduard ahnte, daß es sich um Engelchen handle; aber er durfte nicht mit der Thür in’s Haus fallen; er mußte vorsichtig sein; darum sagte er: »Da wäre Fragen unnütz. Ich werde es ja sehen.«
»Hast Du es nicht schon gesehen?«
»Hm! Ich errathe! Ist sie es?«
»Natürlich! Wie gefällt sie Dir?«
»Na, so leidlich.«
»Leidlich? Bist Du blind? Vergleiche sie mit den Anderen! Sie ist unbedingt die Schönste von Allen. So frisch, so reizend, rein zum Anbeißen. In diesem Anzuge sieht man erst, was sie werth ist.«
»Hm! Eine Weberstochter!«
»Das genirt nicht! Siehe ihr Haar, ihren Mund, der unter der Maske hervorblickt, diesen Hals, diesen Busen, der das römische Mieder zu zersprengen droht, diese vollen Arme, schneeweiß und doch ohne Puder!«
Eduard hustete. Er hätte den Sprecher niederschlagen mögen. Er selbst sah ja jetzt erst, wie schön Engelchen war. Und gerade jetzt sollte er sie aufgeben und verlieren!
»Was hustest Du?« fuhr Seidelmann fort. »Weil ich so begeistert bin und Du nicht? Ja, Du hast Fischblut. Ich aber gehe in Flammen auf, wenn ich eine solche Schönheit sehe. Sie muß mein werden!«
»Oho! Dazu sind diese Weberstöchter zu – zu – zu sittsam!«
»Papperlapapp! Man weiß diese Sittsamkeit zu besiegen. Sie wird Champagner trinken. Uebrigens wird sie in unserem Hause in Dienste treten. Ich machte dieses Anerbieten heute ihrem Vater.«
»Und er ist darauf eingegangen?«
»Ja.«
»Wird auch sie ihre Zustimmung geben?«
»Natürlich. Erstens wird sie müssen, weil ihr Vater will, und zweitens ist der Eintritt in unser Haus für sie eine ebenso große Ehre wie die Erlaubniß, am heutigen Feste theilzunehmen. Sie scheint ein Wenig eingebildet zu sein und wird ebenso gern in unsere Dienste treten, wie sie heute hierher gekommen ist.«
»Damit ist noch nichts erreicht!«
»Du scheinst mir wirklich nicht zuzutrauen, daß ich im Stande bin, eine solche Eroberung zu machen!«
»Mädchen dieses Standes pflegen hartnäckig und fest zu sein!«
»Pah! Wollen wir wetten, daß
Weitere Kostenlose Bücher