Der verlorne Sohn
habe; Sie sind es werth, die Frau eines reichen, gebildeten Mannes zu sein, und wenn ich wüßte, daß Sie meine Liebe erwiedern könnten, so würde ich den heutigen Abend segnen!«
Er wollte sie näher an sich heranziehen; sie jedoch entzog ihm ihre Hand und antwortete: »Wer sind Sie? Ich kenne Sie nicht!«
»Soll ich die Maske abnehmen, Engelchen?«
»Ich bitte darum. Ich muß doch wissen, bei wem ich mich befinde.«
»Nun, da; sehen Sie!«
Er nahm die seidene Maske ab; sie erblickte sein Gesicht und – erbleichte. Doch bereits im nächsten Augenblicke kehrte das Blut verrätherisch in ihre Wangen zurück.
»Herr Seidelmann!« rief sie überrascht.
»Pst, Kind! Nicht so laut! Man soll uns doch nicht hören! Sind Sie erschreckt, mich hier zu sehen?«
»Nein. Aber bitte, lassen Sie uns gehen!«
»Wohin? Nach dem Saale?«
»Nein. Ich muß nach Hause.«
Sie erhob sich und wollte den Tisch von sich schieben, um vom Sopha fort zu können. Er aber erfaßte sie, zog sie sanft wieder neben sich nieder und sagte in bittendem Tone: »Bleiben Sie! Bleiben Sie wenigstens noch einige Augenblicke, bis Sie Alles gehört haben, was ich Ihnen sagen muß. Seien Sie einmal aufrichtig! Fürchten Sie sich vor mir?«
Sie blickte ihm fest in das Gesicht und antwortete:
»Nein.«
»Nun, warum wollen Sie da fliehen?«
»Weil ich nicht zu Ihnen gehöre.«
»Das bestreite ich. Ich habe Ihnen ja bereits gesagt, daß ich Sie liebe. Gehören Leute, welche sich lieben, nicht zu einander?«
»Daß Sie mich lieben, sagen Sie; aber ich glaube es nicht!«
»Soll ich es Ihnen beweisen?«
Sie war ernst geworden. Hatte der Champagner wirklich eine Wirkung auf sie hervorgebracht, so war dieselbe jetzt verschwunden. Sie sah das trotz seiner Jugend bereits ziemlich abgelebte Gesicht des Kaufmannes hart neben dem ihrigen; sie sah seine Augen mit unkeuschem, gierigem Ausdruck auf sich gerichtet, und da nun, diese Blicke erst brachten sie zu der Erkenntniß, daß die Warnung Eduard’s guten Grund gehabt hatte. Noch nie, nie in ihrem Leben hatte sie sich so entblößt getragen!
Sie schämte sich jetzt vor sich selbst. Eine tiefe Gluth bedeckte ihr Gesicht und lief bis zum Nacken hin.
»Bitte, antworten Sie!« sagte er.
»Herr Seidelmann, lassen Sie mich fort! Ich wiederhole, daß ich nicht zu Ihnen gehöre.«
Er glaubte, sie sage dies in Rücksicht auf ihre Armuth und seinen Reichthum. Er deutete ihr Erröthen zu seinem Gunsten. Darum ergriff er ihre beiden Hände und hielt sie fest.
»Engelchen, Sie haben Unrecht! Ich liebe Sie von ganzem, aufrichtigem Herzen! Wollen Sie meine Frau werden?«
Sie schüttelte langsam den Kopf und antwortete:
»Ihre Frau? Die kann ich niemals sein!«
»Warum nicht?«
»Sie sind reich!«
»Aber ohne Sie würde ich mich dennoch arm fühlen. Ich werde Ihnen beweisen, wie lieb ich Sie habe. Hat Ihnen Ihr Vater nicht gesagt, worüber ich heute mit ihm gesprochen habe?«
»Nein.«
»Ich habe zwar nicht von meiner Liebe gesprochen, aber ich habe eine Verabredung mit ihm getroffen, welche im Stande ist, den Unterschied zwischen mir und Ihnen nach und nach zu beseitigen.«
Sie blickte ihn erwartungsvoll an. Sie mußte an die Worte denken, welche Eduard unten auf der Gasse gesprochen hatte.
»Welche Verabredung wäre das?« fragte sie.
»Hätten Sie nicht Lust, in unser Haus zu ziehen?«
»In Ihr Haus? Was sollte ich da?«
»In irgend einer lohnenden Stellung in meiner Nähe sein.«
»Das geht nicht. Ich kann nicht von zu Hause fort. Ich bin das einzige Kind meiner Eltern; sie können mich nicht entbehren.«
»O, doch! Ihr Vater hat versichert, daß er es Ihnen erlaube, zu uns zu ziehen.«
»Als Dienstmädchen?«
»Wo denken Sie hin! Sie, eine wahre Königin an Schönheit, und Dienstmädchen? Das wäre die größte Sünde, welche ich mir nur denken kann! Nein. Wissen Sie, in der Residenz giebt es Stellungen, welche man mit dem Ausdrucke ›Stütze der Hausfrau‹ bezeichnet. Eine junge Dame in dieser Stellung kommt gleich nach der Hausfrau. Sie erhält ein sehr hohes Salair, gehört mit zur Familie und ist die Gebieterin über sämmtliches Gesinde. Hätten Sie nicht Lust, eine solche Stellung zu begleiten?«
»Nein.«
»Ah! Warum nicht?«
»Weil mich meine Eltern brauchen, wie ich Ihnen bereits sagte.«
»Aber ich sagte Ihnen bereits, daß Ihr Vater einwilligt, daß Sie als Stütze der Hausfrau zu uns ziehen.«
»Ich bleibe dennoch daheim!«
»Aber Sie erhalten hundert Gulden
Weitere Kostenlose Bücher