Der verlorne Sohn
ist ein reicher Mann und pflegt Diejenigen, welche ihm treu dienen, auch angemessen zu bezahlen. Nicht der Dienst an und für sich wird nach seinem Werthe abgewogen, sondern die Treue ist es, welche belohnt wird. Also, lassen wir es bei fünfzig Gulden?«
»Ich kann wirklich dazu gar nichts sagen.«
»Gut, so bleibt es dabei. Ich werde die Anweisung schreiben.«
Er riß ein Blatt aus seinem Notizbuche, schrieb Einiges darauf und reichte es Eduard hin. Dabei fragte er lächelnd: »Können Sie das lesen?«
Der Gefragte blickte auf die Zeilen. Er vermochte nur zwei Worte zu lesen, nämlich »fünfzig Gulden«. Das Andere war in einer fremden Sprache geschrieben, und zwar in lateinischen Buchstaben, so undeutlich, daß er es nicht zu enträtseln vermochte.
»Nein,« antwortete er.
»Es ist die zwischen mir und den Eingeweihten verabredete Geheimschrift. Also nun sind wir einig?«
»Ja.«
»Schön. Wann brechen Sie auf?«
»Sogleich. Erst muß ich allerdings nach Hause; aber dann breche ich so auf, daß ich mit der Dunkelheit den Föhrensteig erreiche.«
»In welches Gebiet gehört er?«
»In’s jenseitige Territorium.«
»Ist ein Zollhaus in der Nähe?«
»Nein. Der Föhrensteig ist als Pascherpfad bekannt.«
»Desto mehr haben Sie sich in Acht zu nehmen, daß sie nicht als Schmuggler angehalten werden. Ich wiederhole, daß es mir außerordentlich lieb ist, Sie hier getroffen zu haben, da mir auf diese Weise der Weg nach Ihrer Heimath erspart geblieben ist. Ich habe noch anderweit zu thun. Nun aber wollen wir das Paket zusiegeln. Man muß stets Das, was man braucht, bei sich tragen.«
Er zog ein Stück Siegellack aus der Tasche und verschloß mit Hilfe eines brennenden Streichholzes und des Lackes das Paket. Dann sagte er: »Also übergeben Sie die Anweisung und sagen Sie dabei, daß ich Sonnabend gerade um Mitternacht eintreffen werde, um den ersten Schritt gegen die Pascher selbst zu leiten. Adieu!«
Er gab Eduard das Packet, reichte ihm freundlich die Hand und winkte ihm seine Entlassung zu. Der junge Mann machte Miene, sein Bier zu bezahlen; Winkler aber sagte: »Gehen Sie! Wer fünfzig Gulden Botenlohn giebt, kann auch noch ein Glas Bier entrichten.«
Eduard ging, innerlich glücklich, einen so lohnenden Auftrag empfangen zu haben. Der Andere aber blickte ihm nach und brummte dann leise in sich hinein: »Der ist in die Falle gegangen! Nun wollte ich, daß Seidelmann bald wieder käme, damit die nothwendigen Maßregeln schleunigst getroffen werden könnten.«
Er brauchte nicht lange zu warten. Die Thür wurde leise geöffnet. Fritz Seidelmann steckte den Kopf herein, und als er bemerkte, daß sein Verbündeter allein anwesend war, trat er rasch ein.
»Fertig?« fragte er.
»Ja.«
»Er ist fort?«
»Wie Sie sehen!«
»Und kommt auch nicht etwa wieder?«
»Ich glaube nicht. Setzen Sie sich für einen Augenblick!«
»Wo ist der Kellner?«
»Er muß im Nebenzimmer beschäftigt sein. Sie wollen sich noch etwas zu Trinken geben lassen?«
»Ja.«
»Lassen Sie das lieber sein. Sie werden sofort aufbrechen müssen.«
»Zum Staatsanwalt?«
»Ja.«
»Wenn Sie sagen sofort, so muß die Angelegenheit plötzlich ganz und gar eilig geworden sein.«
»Das ist allerdings der Fall.«
»So ist dieser Hauser uns wohl recht hübsch in’s Garn gelaufen?«
»Ja. Man wird ihn heute ergreifen und als Pascher arretiren.«
»Wie haben Sie das fertiggebracht?«
»Sie haben das Ihrige auch dazu beigetragen, indem Sie ihm die Spitzen unter das Rockfutter practizirten. Er hält mich für den Fürsten des Elendes oder wenigstens für einen Beauftragten desselben, und wird für mich ein Packet nach Langenberg schaffen. Mit Anbruch der Dunkelheit will er bei dem Föhrensteige sein. Sie haben nun dafür zu sorgen, daß man ihm dort auflauert.«
»Sakkerment! Das soll schleunigst besorgt werden!« sagte Fritz, während er sich zum Gehen anschickte.
»Halt!« rief Winkler. »Seien Sie nicht unüberlegt! Wissen Sie, was Sie sagen werden?«
»Natürlich! Ich bin doch kein Kind«
»Das weiß ich; aber die Sache ist ebenso gefährlich, wie sie für uns wichtig ist. Man muß da vorsichtig sein!«
»Haben Sie keine Sorge um mich! Werden Sie vielleicht hier warten, bis ich wiederkomme?«
»Nein. Meine Zeit ist zu bemessen. Wenn ich morgen Wort halten will, so habe ich heute jede Minute zu Rathe zu nehmen.«
»Das läßt sich denken. Sie kommen nicht selbst mit?«
»Nein. Sie wissen, daß Unsereiner sich nur ganz
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